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Lauf, so schnell du kannst

Lauf, so schnell du kannst

Titel: Lauf, so schnell du kannst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Howard
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warteten, na ja, dies war schließlich keine Stadt oder eine Großstadt, wie viele konnten es daher schon sein? Er hatte ein Gewehr und eine Pistole und keine Angst, sie zu benutzen. Sobald er es vom Berg hinunter geschafft hatte, würde er klug und vorsichtig sein und die Situation auskundschaften, bevor er sich zeigte. Falls jemand anders dort war und auf ihn wartete, würde er verängstigt wirken. Er würde hilflos wirken. Nach jahrelanger Übung konnte er das gut. Er würde um Gnade flehen, vielleicht würde er sogar weinen, ihnen sagen, es sei alles ein Fehler gewesen und Davis sei im Begriff gewesen, ihn zu töten. Es war Selbstverteidigung, und er hatte gar nicht richtig auf Angie geschossen, er hatte den Bären gesehen und war in Panik geraten … ja, das war gut. Und er war so gut, dass er sogar Angie dazu bringen konnte, an sich selbst zu zweifeln. Und dann, wenn sie dachten, dass er keine Bedrohung darstellte, würde er sie alle umbringen. Damit hatte er kein Problem. Und falls jemand dachte, dass er doch eins damit hatte, dann hatte er Pech gehabt.
    Er konnte spüren, wie er einnickte. Er war so müde, er wusste, dass er benommen war. Er musste jetzt etwas schlafen – oder sterben.
    Er lehnte sich zurück und schloss die Augen. Fünfzehn Minuten, das war alles, was er brauchte, nur fünfzehn Minuten, um die Batterien wieder aufzuladen. Keinen richtigen Schlaf, er konnte es sich nicht leisten, das Bewusstsein völlig zu verlieren. Aber wenn er nur die Augen schloss …

22
    Dieser Traum wirkte besonders ätzend. Angie war gerade wach genug, um zu wissen, dass sie träumte, war aber außerstande, sich aus dem Traum zu befreien. Ein Traum, der nicht loslassen wollte, der sie immer wieder hinunterzog, würde zu nichts Gutem führen …
    Sie lag mit dem Gesicht nach unten im Schlamm. Sie erstickte. Schlamm war in ihren Augen und in ihrer Nase, und bei jedem Versuch, Luft zu holen, würgte sie an dem widerlichen Zeug. Sie versuchte mühsam zu atmen, zu sehen, aber alles war dunkel. Sie wusste nicht, wo sie war oder wie sie von dort wegkommen sollte. Panik tobte wie Trommelschläge durch sie hindurch, sie musste raus, raus, raus … sie kämpfte, versuchte, sich vorwärtszukrallen, den Kopf aus dem stinkenden Morast zu heben, aber egal, wie sehr sie sich anstrengte, sie kam nicht voran, konnte sich nicht befreien. Kalter Schlamm drohte sie zu verschlingen, sie in die Erde hinabzusaugen.
    So gefangen zu sein machte sie unheimlich
zornig.
Sie hatte keine Angst vor dem Ertrinken; es gab Schlimmeres, als im Schlamm festzusitzen, und wenn sie hier nicht rauskam, würden diese schlimmen Dinge jeden Moment da sein. Ein Mörder und ein Bär machten Jagd auf sie. Sie konnte sie nicht sehen, konnte sie auch nicht hören, wusste aber, dass sie in der Nähe waren. Hinter ihr. Vor ihr. Auf allen Seiten. Sie kamen, um sie zu holen.
    Und dann veränderte sich der Schlamm. Was dunkler, stinkender Morast gewesen war, verwandelte sich in etwas Süßes und Weißes. Angie spannte jeden Halsmuskel an und war in der Lage, den Kopf zu heben. Genau vor ihr lag eine gelbe Rose aus Zuckerguss. Schwer atmend leckte sie sich die Lippen, kostete das weiße Zeug, das sie von Kopf bis Fuß bedeckte. Kein Schlamm: Zuckerguss. Zuckerguss von ihrem Hochzeitskuchen war in ihren Augen, ihrer Nase und ihrem Mund, zwischen ihren Fingern, zwischen ihren Zehen. Aber warum war sie barfuß? Wo waren ihre Stiefel?
    Sie schauderte. Der Zuckerguss war schlimmer als der Schlamm, weil er falsch war, er sollte nicht da sein. Sie versuchte, ihn abzuschütteln, aber das Zeug klebte und überzog sie. Kalte Schauer liefen ihr über den Rücken. Es war viel schwerer, sich in diesem Meer aus Zuckerguss zu bewegen als in dem Schlamm.
    Sie saß in der Falle.
    Und hinter ihr knurrte ein Tier.
    Angie riss sich aus dem Traum und in eine sitzende Position. Sie schnappte nach Luft, und natürlich schlug sie sich dabei ihren verdammten Knöchel an. Ein scharfer Aufschrei entfuhr ihr, bevor sie ihn unterdrücken konnte, als reichten nicht schon ihre plötzlichen Bewegungen, um den Mann zu wecken, neben dem sie schlief.
    Sie schlief neben Dare Callahan.
Sie hätte im Leben nicht geglaubt, dass sie diese fünf Worte einmal in irgendeinem Kontext zu einem Satz zusammenfügen würde.
    »Was ist los?«, knurrte er langsam und beruhigend, anders als das Knurren in ihrem Traum. Sie brauchte die Ruhe, die er anbot, sie brauchte auch die feste Wärme seines Körpers dicht

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