Lauf, so schnell du kannst
Ställen –, putzten sich die Zähne, und Angie tauschte ihre Jeans gegen die viel bequemere Thermounterhose.
Als sie es sich auf der Matratze bequem gemacht und den Schlafsack ausgebreitet hatte, überkam sie eine plötzliche Traurigkeit. Sie würden bald aufbrechen, doch sie wollte gar nicht gehen. Diese beiden Tage waren auf seltsame Weise … irgendwie bereichernd gewesen, und es widerstrebte ihr aufzubrechen. Die erzwungene Nähe zu Dare hatte ihre Welt auf den Kopf gestellt. Sie war sich noch nicht sicher, ob das gut war, aber sie wusste definitiv, dass es sich angenehm angefühlt hatte.
Hier in Dares Hütte waren sie sicher gewesen. Die Wetterverbesserung bedeutete, dass sie diese Sicherheit bald verlassen würden, entweder morgen oder sicher übermorgen – und die reale Welt rückte drohend näher. Plötzlich spürte sie die Gefahr all dessen, was sie nicht wussten, wie etwa, was Chad Krugman getan hatte oder wo er sich aufhielt. Der Bär war ebenfalls noch dort draußen, aber sie befanden sich vermutlich so weit von seinem Territorium entfernt, dass sie einigermaßen sicher waren. Chad jedoch hatte sich als überraschend gefährlich entpuppt. Hatte er in dieser ersten Nacht versucht, vom Berg herunterzukommen, oder hatte er irgendwo Schutz gesucht und den Sturm abgewartet? Es bestand die Möglichkeit, dass er zum Camp zurückgekehrt war und den Bären erschossen hatte – eine geringe Möglichkeit, denn sie hatte keinen weiteren Schuss gehört, und er hätte zuerst sein Gewehr aus dem Zelt holen müssen. Der Schuss könnte natürlich mit einem Donnerschlag zusammengefallen sein, der das Geräusch überdeckt hätte, aber das wäre wirklich ein großer Zufall gewesen.
Sie würde ihr Leben nicht auf Zufall verwetten. Er konnte das Gleiche getan haben wie sie, nämlich erst den Sturm abwarten und dann am nächsten Tag aufbrechen, jetzt, da das Wetter besser war. Er war zu Pferd unterwegs, es sei denn, er hatte es irgendwie geschafft, ihr Pferd zu verlieren, also würde er schneller vorankommen als sie. Würde er so weit nach Süden kommen oder versuchen, dem gleichen Weg zu folgen, auf dem sie die Jagdgruppe in die Berge geführt hatte? Wenn er das tat, würde er eine Menge Probleme bekommen. Sie kannte dieses Land, kannte die Bäche, die er würde überqueren müssen, Bäche, die den Pferden beim Aufstieg nur bis an die Knöchel gereicht hatten und sich jetzt in reißende Ströme verwandelt haben würden. Wenn er klug war, würde er nicht versuchen, diese Bäche zu überqueren, aber Chad hatte keine Erfahrung, und er wusste vielleicht gar nicht, welch eine Kraft diese Ströme haben konnten.
Sie konnte unmöglich voraussehen, was er tun würde. Bis sie bei Lattimore ankamen, würden sie nicht wissen, ob Chad es vor ihnen nach unten geschafft hatte; sie konnten ohnehin nur die Polizei verständigen und die Angelegenheit denen überlassen.
Und was dann? Kehrte sie zu ihrem Haus und Dare zu seinem zurück?
»Bist du fertig?«, rief er und riss sie aus ihren trüben Gedanken.
»Ja, komm rauf.«
Er hatte die Leiter binnen Sekunden erklommen und den Vorhang hinter sich zugezogen, um die Wärme drinnen zu halten, da die Temperatur im Laufe der Nacht fiel. Seine große, breitschultrige Gestalt ließ den kleinen Raum noch kleiner erscheinen. Er knöpfte sein Flanellhemd auf und zog es aus, dann streifte er sein T-Shirt über den Kopf und warf es ebenfalls beiseite. Das Licht der Laterne glänzte auf der Haut seiner Schultern, und da musste sie schlucken. Dieser verdammte Mann ließ sie sabbern.
»Wird dir nicht kalt ohne Hemd?«
Blaue Augen glänzten. »Während du deinen Weltklassearsch an mich ranschmeißt? Unwahrscheinlich.«
Sie freute sich wie ein Kind darüber, dass er fand, ihr Arsch sei Weltklasse. Sie hatte nie viel darüber nachgedacht, anders als über ihren nicht vorhandenen Busen, den sie für sich und alle anderen unübersehbar vor sich hertrug – oder eben nicht. Todd hatte nie etwas darüber gesagt, dass er ihren Hintern mochte. Er hatte die üblichen Bemerkungen über kleine Brüste gemacht, die von Männern erwartet wurden – mehr als ein Mundvoll ist Verschwendung und so weiter –, aber er war nicht sehr überzeugend gewesen, vor allem wenn sie ihn dabei erwischt hatte, wie er Frauen nachsah, die einen größeren Busen hatten. Todd war nicht der Typ gewesen, der fremdging. Diesen Verdacht hatte sie bei ihm nie gehabt, aber es hatte trotzdem wehgetan, dass er ihren Körper optisch
Weitere Kostenlose Bücher