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Lauf, so schnell du kannst

Lauf, so schnell du kannst

Titel: Lauf, so schnell du kannst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Howard
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Verschluss und drückte ab. Aber sobald er das Klicken hörte, wusste er, dass der Schlagbolzen eine leere Kammer getroffen hatte.
    Beinahe schluchzend vor Entsetzen fummelte er in seiner Manteltasche nach der Schachtel mit Munition, ließ sie fallen, bückte sich, um den Boden danach abzutasten. Der Bär kam immer näher, er konnte jetzt seine Augen sehen, wild, gierig. Er versuchte ungeschickt, eine Patrone in die Kammer einzulegen, ließ auch sie fallen. Nah, nah, Gott, dieses Scheißmonster war schon so nah, und seine Finger wollten einfach nicht; er fummelte eine weitere Patrone aus der Schachtel, bekam das blöde Ding aber nicht in die Kammer …
    Der Bär riss sein gewaltiges Maul auf und griff aus einer Entfernung von ungefähr zwanzig Metern an.
    Chad schrie jetzt, und als er das Gewehr wegwarf und losrannte, stieg seine Stimme zu einem schrillen Kreischen an.
    Nur eine Sekunde lang, vielleicht zwei, hegte er die wilde Hoffnung, dass Angie den Bären erschießen würde, dass sie selbst nach allem, was er getan hatte, das verdammte Vieh einfach instinktiv erschießen würde. Er würde eine Chance haben, und das war alles, was er wollte, nur eine Chance, er würde seine Pläne ändern, vielleicht …
    Dann traf ihn eine Lawine aus Fell und Muskeln, Zähnen und Klauen und rammte ihn mit dem Gesicht voran in den Boden. Krallen rissen ihm die Seite und den Rücken auf, und es brannte wie Feuer, Schmerz explodierte in seinem ganzen Körper, als ihm der Bär die Fangzähne in die Schulter grub und ihn durch die Luft schleuderte.
    Er schlug so hart auf dem Boden auf, dass es ihn fast lähmte. Er hörte sich schluchzen, wusste, dass ihm der Rotz aus der Nase lief, aber alles war irgendwie fern und verschwommen, bis auf das schiere Entsetzen, das ihn irgendwie antrieb, sich auf die Seite zu rollen, die Finger in den schlammigen Boden zu graben und zu versuchen, aufzustehen.
    Da war ein tiefes, grollendes Brüllen, das ihn beinahe taub machte, und dazu ein Gestank, der ihm in den Lungen und in der Nase brannte. Tausend Widerhaken zerfetzten ihm die Beine, packten ihn, zerrten ihn rückwärts.
    »Nein, nein, nein.« Es war das einzige Wort, das er herausbringen konnte, wieder und wieder, während er über den schlammigen Boden gezogen wurde.
    Er grub die Finger in den Morast, als könnte der Halt an der Erde ihn retten. Auf irgendeiner Ebene realisierte er, dass der Monsterbär ihn bereits getötet hatte. Der Schmerz der Klauen, die sich ihm in die Beine bohrten, rief die lebhafte Erinnerung an das wach, was Davis zugestoßen war.
    Doch Davis war bereits tot gewesen. Er aber war es nicht.
    Er spürte, wie er erneut angehoben wurde. Ohne Vorwarnung war der Boden, an den er sich geklammert hatte, verschwunden, und er hing für einen Moment hilflos da, gefangen in den Kiefern des Ungeheuers und geschüttelt wie ein Kinderspielzeug. Er versuchte, wieder zu schreien, aber er konnte es nicht. Er hatte keinen Atem, keine Kraft. Er konnte nicht mal mehr »Nein« sagen; stattdessen hörte er jämmerliche, schwache und wimmernde Laute, die ihm im Halse stecken blieben.
    Mit einem Schwung seines Kopfes warf ihn der Bär wieder in die Luft. Er schrie und schien eine Ewigkeit zu fliegen, schrie seine Frustration, seinen Zorn und seine Angst hinaus, seine Gewissheit, dass dies das Ende war und dass es schrecklich sein würde. Er schrie sogar um Hilfe, doch ohne Hoffnung, denn es gab kein Zurück. Er prallte von dem Felsblock ab. Knochen brachen – er spürte noch, wie sie zerschmettert wurden, und er wurde dort liegen gelassen, ein schlaffer Körper ohne inneres stützendes Gerüst. Blut füllte seinen Mund. Der Bär sprang, und Chad betete um einen sofortigen Tod.
    Sein Gebet wurde nicht erhört.
    Er wollte ohnmächtig werden. Er wollte es nicht mitbekommen, wenn er starb. Da war ein Moment, als seine Sicht sich trübte, da sich Chad fast sicher war, dass der Bär mit ihm spielte, dass er sein Leiden mit Absicht verlängerte und dafür sorgte, dass er in seinen letzten Lebensminuten so große Schmerzen wie möglich empfand.
    Der Bär biss ihm in den Bauch, schwang den Kopf herum, riss ihm die Innereien heraus. Als sein losgelöstes Gehirn aussetzte, war er noch zu einer fernen Überraschung über die pointierte Treffsicherheit seines letzten Gedankens in der Lage:
»Das Überleben des Stärkeren.«
    Angie hatte Chad gerade in ihrem Zielfernrohr erfasst, als er schrie; einen Sekundenbruchteil später verschwand er in einer

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