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Lauf, so schnell du kannst

Lauf, so schnell du kannst

Titel: Lauf, so schnell du kannst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Howard
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kannte auch die Grundlagen des Schießens auf weite Distanzen. Das hier galt zwar nicht als echtes Schießen auf Distanz, denn sie waren höchstens hundertfünfzig Meter entfernt, aber wenn man bedachte, was auf dem Spiel stand, wollte er keinen Schuss riskieren, der sein Ziel vielleicht verfehlte.
    Sie bewegten sich im Schneckentempo, was für ihn von Vorteil war, aber er durfte nicht zu lange zögern, weil sie sonst die Baumgrenze unten erreichen würden, und dann würde er sie verlieren. Da der Wind Geräusche von ihnen forttrug, würden sie ihn wahrscheinlich nicht hören. Chad ging nach links und brachte einen dieser großen Felsblöcke zwischen sich und seine Ziele, dann huschte er auf den Felsen zu und duckte sich.
    Erregung packte ihn. Es sah aus, als würde er schließlich doch noch seine Jagd bekommen. Dies war die Wildnis, und in der Wildnis war das Überleben des Stärkeren die Regel, nach der die Natur und der Mensch – Mann und Frau – lebten.
    Neunzig Meter hinter ihm tappte der Bär immer näher an seine Beute heran; der Duft wehte ihm jetzt stark in die Nase.

29
    Chad hatte sich seinen Zielen bis auf fünfzig Meter genähert, weiter wagte er sich nicht heran, ohne ein gewaltiges Risiko einzugehen, dass Angie oder dieser große Kerl ihn sahen oder hörten. Außerdem gelangten sie zwischen einige Felsen, die ihnen Tarnung geben würden, und hinter den Felsen war der Rand der Wiese. Wenn er sie bis zu den Bäumen kommen ließ, würde es für ihn schwerer werden, einen guten Schuss zu platzieren: zu viele Schatten, zu viele Baumstämme. Er hob das Gewehr an die Schulter, zielte auf die Mitte des Rückens des Mannes und kalkulierte das Gefälle des Hügels, die Entfernung und den leichten Wind mit ein. Er war dem Mann bei Angie nie begegnet, verspürte keine Feindseligkeit gegenüber dem Kerl, der bald tot sein würde, aber er war nun mal im Weg, und das war Grund genug, ihn umzulegen.
    Töten war leicht, wie Chad entdeckt hatte, als er Davis erschossen hatte. Eine wohlplatzierte Kugel, und ein Leben konnte für immer ausgelöscht sein; eben noch lebendig, jetzt tot. Eben noch ein Problem, jetzt … gar kein Problem. Er würde nicht sagen, dass es ihm einen Kick versetzte, aber er war überrascht gewesen, wie einfach es war, dass er anschließend nicht das leiseste Bedauern verspürt hatte. Er tat, was getan werden musste, das war alles.
    Er zielte sorgfältig, nahm einen Atemzug, stieß die Luft halb wieder aus, wie er es gelernt hatte, und drückte ab. Der Mann bei Angie zuckte, und als er fiel, stieß er Angie von sich weg. Sie machte einen schwankenden, stolpernden Schritt und fiel ebenfalls hin. Bevor Chad sie in seinem Zielfernrohr erfassen konnte, kroch sie hinter einen dieser verdammten Felsen.
    »Dare!«
    Angie schrie seinen Namen, noch bevor sie auf dem Boden aufschlug. Der Gewehrschuss war aus so kurzer Distanz hinter ihnen gekommen, dass sie den Widerhall des Knalls beinahe gleichzeitig wie das tiefe
»Uhhh!«
gehört hatte, das Dare von sich gegeben hatte. Und dann hatte er sie im Fallen von sich weggestoßen. Instinktiv hatte sie sich halb rollend, halb kriechend zu einem der Felsen bewegt und sich dort hingehockt und zog bereits die Füße an, um sich an die Stelle zu werfen, wo Dare ausgestreckt am Boden lag.
    Aber dann zog er sich in eine sitzende Position hoch und bellte: »Bleib da!«
    Blut rann ihm übers Gesicht, aber seine Stimme war so fest wie immer; Angie erstarrte, Erleichterung und Adrenalin durchfluteten sie und schärften ihre Sinne. Dare war verletzt, aber er konnte sich bewegen, er war bei Bewusstsein. Er verlor außerdem viel Blut, also musste sie etwas tun, und zwar schnell.
    Sie brauchte sich nicht zu fragen, was passiert war; sie wusste es. Irgendwie war Chad hinter ihnen aufgetaucht. Blitzartig wusste sie, dass es nicht einmal ein großer Zufall war, denn die geschwollenen Bäche würden ihn in dieselbe Richtung gezwungen haben, in die sie gingen.
    »Wo bist du getroffen?«, rief sie verzweifelt, denn Dare wischte sich Blut aus den Augen, und so schnell er es auch abwischte, es lief weiter und blendete ihn fast, aber wenn er eine Kopfwunde hätte, dann würde er doch ganz sicher nicht …
    »Schulter«, ächzte er mit vor Schmerz gepresster Stimme.
    Schulter?
    Egal. Sie musste zu ihm. Tief geduckt warf sie einen schnellen Blick um den Felsen, um zu sehen, ob sie Chads Position ausmachen konnte. Wieder peitschte ein Schuss und sandte einen Splitterregen auf sie

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