Lauf, so schnell du kannst
ist wohl wahr.« Er folgte ihr zurück in die Küche und machte es sich am Tisch bequem, während sie für sie beide Kaffee einschenkte. Sie rührte zwei Teelöffel Zucker in seine Tasse, einen in ihre, und gab ihm vorsichtig seine Tasse in die Hand, bevor sie sich selbst hinsetzte.
Er deutete mit dem Kopf auf die Ausrüstung, die auf dem Küchentisch ausgebreitet lag und ihnen kaum Platz ließ, um die Tassen abzustellen. »Sieht nach einer langen Jagd aus.«
»Eine Woche, aber du weißt ja, wie es läuft: Wenn sie die Beute am ersten Tag erlegen, ist die Jagd im Grunde gelaufen.«
»Trophäenjäger?«
»Ja. Ich habe die üblichen Absprachen für das Fleisch getroffen.« Das bedeutete, dass das Fleisch an ein Obdachlosenheim oder eine Familie gehen würde, an Leute, die auf Lebensmittelspenden angewiesen waren. Das Gesetz sah vor, dass das Fleisch nicht verschwendet werden durfte.
»Wer sind deine Kunden?«
»Einer war schon mal da; sein Name ist Chad Krugman. Ein netter Kerl, aber kein großer Jäger. Der andere, Davis, ist
sein
Kunde. Ich schätze, das ist das Outdoor-Äquivalent zu einem Golfspiel.«
Harlan warf ihr einen ernsten Blick zu. »Sei vorsichtig.«
»Bin ich immer.« Sie wusste genau, wovon er sprach. In einer vollkommenen Welt würde ein weiblicher Führer keine Vorsichtsmaßnahmen treffen müssen, wenn er eine Gruppe männlicher Jäger führte, aber die Welt war nicht vollkommen, und Angie war nicht dumm. Sie war nicht nur stets bewaffnet, wenn sie auf einer geführten Tour unterwegs war, sie sorgte auch dafür, dass bekannt war, wo sie sich gerade befand, mit wem sie zusammen war und wann sie zurückkommen würde – und dass ihre Kunden wussten, dass sie ihre Namen bei jemandem hinterlegt hatte, was wahrscheinlich sogar die beste Absicherung war, die sie besaß.
Dennoch schützte sie sich vor einer Schwangerschaft. Sie pflegte einen sachlichen Umgang mit ihren Kunden, flirtete nie und hatte einen leichten Schlaf, mit dem Gewehr in Reichweite. Es gab ein paar Dinge, die sie nicht kontrollieren konnte, und wenn zwei Männer beschlossen, sich gegen sie zusammenzutun, dann würde sie die Situation vielleicht bewältigen können – oder eben auch nicht. Aber sie war sich ziemlich sicher, dass sie mit einem Mann allein fertig werden konnte. Sie sorgte so weit wie möglich für ihre eigene Sicherheit und musste damit zufrieden sein.
Eine Sache, die sie zwar nicht hatte, aber gerne gehabt hätte, war ein Satellitentelefon. Ihr Vater hatte eins besessen, das er für Notfälle auf geführte Touren mitnahm, und sie hatte es während der ersten zwei Jahre behalten. Aber im letzten Jahr hatte sie sparen müssen, und das Satellitentelefon war eins der ersten Dinge gewesen, die sie abgeschafft hatte. Dabei hatte sie sich mit dem Telefon sicherer gefühlt. Zum Glück hatte sie in all den Jahren, die sie Touren geleitet hatte, keine echten Notfälle gehabt. Wenn sie es sich recht überlegte, hatte ihr Dad auch keine erlebt, aber er hatte das Telefon lieber dabeigehabt.
Er hatte auch in anderer Hinsicht modernisiert, wie mit dem Kauf der Quads, aber vor allem hatte er es geliebt, mit den Pferden loszuziehen und seinen Kunden ein echtes Abenteuergefühl zu vermitteln. Angie hätte die Pferde im ersten Jahr verkaufen und die Quads behalten sollen, aber Sentimentalität hatte gesundem Menschenverstand im Weg gestanden, und so hatte sie die Geldfresser nicht nur deshalb behalten, weil ihr Dad sie gemocht hatte, sondern auch, weil eins der Pferde ihr besonderer Liebling gewesen war. Dann hatte sie Jupiter im letzten Jahr trotzdem an eine Kolik verloren, und ein anderes Pferd hatte sich das Bein gebrochen und musste eingeschläfert werden, was bedeutete, dass sie zwei neue Pferde hatte kaufen müssen, die sie beide nicht annähernd so gern hatte wie die Pferde, die sie ersetzten.
So was passierte eben, verdammt.
Zur Einhaltung der Regel, jemanden wissen zu lassen, wo sie war, nahm sie ein Stück Papier und schrieb die relevanten Informationen auf, dann schob sie Harlan das Blatt hin. »Ich werde mich bei dir melden, wenn ich zurückkomme. Wenn ich bis zu diesem Datum nicht angerufen habe, schick den Suchtrupp los.«
Harlan nickte, während er das Papier zusammenfaltete und in die Tasche steckte. Er hatte schon früher den Wachhund gespielt, für ihren Dad. Er nippte an seinem Kaffee, sah sich um, ohne etwas Bestimmtes zu betrachten, und Angie bemerkte wieder diesen schuldbewussten Ausdruck auf seinem
Weitere Kostenlose Bücher