Lauf, so schnell du kannst
etwas Spielraum für Verhandlungen hatten, aber doch nicht im Wert von dreißigtausend Dollar!
Sie brauchte das Angebot nicht anzunehmen. Weil Callahan ihren Preis nicht zahlen wollte, stand es ihr frei, es abzulehnen. Aber wenn sie das tat, gab es keine Garantie, dass sie ein Angebot von jemand anderem bekäme, und später war sie vielleicht so verzweifelt, dass sie noch weniger Geld nehmen würde. Schlimmer noch: Brauchte Harlan die Provision, selbst wenn sie auf dem reduzierten Preis basierte? Natürlich brauchte er sie. Wie lange war es her, dass er etwas verkauft hatte?
Also war sie verdammt, wenn sie es tat, und ebenso verdammt, wenn sie es nicht tat. So oder so würde es sie Geld kosten. Je länger sie zögerte, umso mehr Geld würde sie durch die Betriebsausgaben verlieren – und wenn sie das Angebot jetzt annahm, würde sie das Geld verlieren, indem sie den niedrigeren Preis akzeptierte.
Sie knirschte mit den Zähnen, holte tief Luft und verhielt sich wie eine Erwachsene. »Mach ein Gegenangebot. Geh zehntausend runter.« Das würde ihr etwas Zeit verschaffen, während sie diese Tour machte, aber es würde nicht so viel Zeit verschlingen, dass sie größere Mengen Geld an Betriebskosten verlor. Und wer weiß, vielleicht würde er ja zehntausend raufgehen. Vielleicht würde er wirklich bereit sein, zu verhandeln. Vielleicht konnte er ihren verlangten Preis nicht stemmen oder die Bank war dazu nicht bereit gewesen und hatte ihr ein zu niedriges Angebot gemacht, um ihm ein wenig Spielraum zu verschaffen. Alles war möglich. Zwar nicht wahrscheinlich, denn sie konnte sich nicht dazu überwinden, im Zweifel für den Angeklagten zu entscheiden, aber möglich.
Harlan stieß einen gewaltigen Seufzer der Erleichterung aus. »Braves Mädchen. Ich hatte befürchtet, du würdest ihn glatt ablehnen.«
»Wenn ich es mir leisten könnte, würde ich das auch tun. Aber wenn ich es mir leisten könnte, würde ich überhaupt nicht verkaufen.«
»Ich weiß.« Jetzt, da er sich ein wenig entspannen konnte, nahm er einen großen Schluck Kaffee. »Ich werde hören, was er sagt. In der Zwischenzeit werde ich Termine mit einem Sachverständigen und einem Gutachter machen, okay?«
»Klar. Ich gebe dir einen Schlüssel, falls du die Dinge ins Rollen bringen kannst, während ich fort bin.«
Der Ersatzschlüssel lag in ihrem Schlafzimmer. Sie nahm ihn aus der Kommodenschublade und stand für einen Moment da, hielt ihn in der Hand, während sie Atemübungen machte. Sie durfte es tun. Selbst wenn Dare Callahan das einzige Angebot machte, selbst wenn sie es sich nicht leisten konnte, ihn abzuweisen, durfte sie es tun.
Er musste wissen, dass sie Gegenangebote machen konnte, bis sie schwarz wurde, wenn er nicht nachgab, aber schließlich würde sie sein Angebot doch annehmen müssen. Der Bastard.
Angie war so wütend, dass sie sich, sobald Harlan gegangen war, schnurstracks auf den Computer im Wohnzimmer stürzte und ihre Freunde in Billings anmailte.
»Wollt ihr mal raten, welches Arschloch versucht, mein Haus für dreißigtausend unter dem ausgeschriebenen Preis zu kaufen???«
Nicht, dass sie etwas anderes tun konnten, als in die Empörung einzustimmen und haarsträubende, aber befriedigende Rachemaßnahmen vorzuschlagen. Das war das Beste an Freundinnen: diese prompte, bedingungslose Unterstützung, ohne Rücksicht auf gesunden Menschenverstand oder praktische Anwendbarkeit. Sie waren natürlich alle bei der Arbeit, und so erwartete sie nicht, sofort von ihnen zu hören …
Gerade als ihr dieser Gedanke gekommen war, machte es »Pling! Sie haben Post!«, und sie sah, dass sie bereits eine Antwort von Lisa hatte, die mit ihr in dem Verwaltungsbüro des Krankenhauses gearbeitet hatte. Sie hatte die E-Mail an Lisas Privatadresse geschickt, es musste also Zufall sein. Sie klickte auf die E-Mail, um sie zu öffnen.
»Habe ein neues BlackBerry! Kann jetzt immer E-Mails empfangen. Dieser Drecksack. Dem würd ich die Eier abschneiden und sie zum Frühstück braten.«
Sie tippte zurück:
»Seine wären giftig.«
»Wenn du nicht mal seine Eier essen kannst, was nützt er dann?«
Einige Mailwechsel später sagte Lisa, dass sie weiterarbeiten müsse, aber inzwischen hatte sich Angies Stimmung sehr gebessert. Sie hatte sich wie eine Erwachsene verhalten und ein Gegenangebot gemacht. Jetzt war Callahan am Zug, und bis sich Harlan wieder bei ihr meldete, verschwendete sie nur ihre Zeit, wenn sie über die ganze Situation ins Schwitzen
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