Lauf, so schnell du kannst
nichts Schlimmes. Er wollte nicht, dass ihn das Leben, das er sich als Chad Krugman aufgebaut hatte, verfolgte; es war ein nützliches Werkzeug gewesen, und es hatte ihn auf perverse Weise befriedigt, dass niemand hinter die Fassade schaute, was nur ein weiterer Beweis für sein Können war. Aber er war bereit, von vorn anzufangen. Chad Krugman musste aufhören zu existieren. Er würde neu beginnen, mit einem Namen, bei dem man nicht sofort
Trottel
dachte, der aber auch nicht übermäßig cool klang. Etwas Unaufdringliches und Maskulines würde völlig genügen. Vielleicht würde er auch ein paar Schönheitsoperationen vornehmen lassen. Das war sogar eine verdammt gute Idee: Kinn- und Wangenimplantate, eine Nase, die den Eindruck der Durchsetzungsfähigkeit erweckte. Er würde nicht mehr der unsichtbare Idiot sein müssen. Und bei seinem Talent für den Umgang mit Geld war nichts als der Himmel die Grenze.
Unterschätze nie den Buchhalter.
Davis hatte das getan. Alle hatten es getan. Sie alle unterschätzten ihn, selbst Angie Powell, und sie war netter zu ihm gewesen als irgendjemand sonst, was ihm beinahe ein schlechtes Gewissen bescherte, zumal er dafür sorgen musste, dass sie tot war. Aber was solls? Es war auch nicht so, als hätte sie ihn jemals wirklich respektiert. Sie war nett zu ihm gewesen, weil er ein Kunde war, nicht weil sie ihn gemocht hatte.
Mit Davis hatte er sich leicht verrechnet, und das ärgerte ihn. Selbst bei allem, was er über diesen mörderischen Bastard wusste, hatte er ihn
trotzdem
unterschätzt. Ein Mann stieg nicht in Davis’ Position auf, ohne dass ein Mindestmaß an Intelligenz und eine Menge Gerissenheit mit der angeborenen Skrupellosigkeit einhergingen; Chad hätte auf die Möglichkeit vorbereitet sein sollen, dass alles schneller gehen konnte, als er gedacht hatte.
Das war es gewesen, was Davis bei Angie im Internet getan hatte, er hatte all seine Konten durchsucht, Zahlen verglichen – und als Angie ihn nach dem Essen rausgeworfen hatte, war er so klug gewesen, sich einfach auf die Veranda zu setzen, wo er immer noch Zugang zu ihrem WLAN hatte, sodass er sein elektronisches Stöbern fortsetzen konnte.
Eine große Frage war, ob Davis jemand anderen verständigt hatte – namentlich die Leute, mit denen
er
zu tun hatte – oder ob er das Problem selbst regeln wollte und sie nicht ins Bild gesetzt hatte. Schließlich war er derjenige gewesen, der Chad ausgesucht hatte. Er würde sich nicht in ein schlechtes Licht setzen wollen. Aber wenn er das Problem bereits entdeckt und sich darum gekümmert hatte, dann war es halb so wild. Chad dachte, dass die Chancen für ihn gut standen, dass Davis das Problem für sich behalten hatte und sich zunächst davon überzeugen wollte, dass das Geld tatsächlich fehlte.
Oh, der Kern von Chads Plan – Davis zu töten – war zwar trotzdem ausgeführt worden, aber der Ort und die Umstände hatten nicht gestimmt, und das beunruhigte ihn. Das Gewitter war nicht vorhersehbar gewesen. Dass Angie die Leiche gefunden hatte, war auch nicht vorhersehbar gewesen. Er hätte nichts davon kontrollieren oder ändern können, aber er war auf eine solche Störung seines Plans nicht vorbereitet gewesen, und als Folge davon wusste er immer noch nicht, was mit Angie war. Das würde er herausbekommen müssen.
Doch am Ende war er damit zufrieden, dass die von ihm geschaffene Persönlichkeit ihm das Leben gerettet hatte. Davis hatte ihn als Bedrohung so vollkommen abgetan, dass er bereit gewesen war, bis zum Ende der Jagd zu warten, bevor er sich um das Geschäftliche kümmerte, wahrscheinlich weil Angies Anwesenheit ein Faktor war, der alles komplizierter machte, und auf den er vermutlich verzichten wollte. Chad hatte sich keine solche Beschränkungen auferlegt. Sobald Angie klargemacht hatte, dass sie den Leichnam, den sie gefunden hatte, melden wollte, und damit Chads ganzen Zeitplan durcheinandergebracht hatte, hatte er sich sofort mit Davis treffen und ihn töten müssen, um sich danach um Angie zu kümmern.
Vielleicht hatte Davis an seinen eigenen Ruf geglaubt, was am Ende eine fatale Schwäche gewesen war. Niemand bestahl Davis und kam ungeschoren davon. Ungeschoren, ach was; man bestahl Mitchell Davis nicht und
überlebte
– es sei denn, man war klüger, als er erwartete, es sei denn, man konnte ihn in einem unachtsamen Moment erwischen. Davis hatte nicht damit gerechnet, dass Chad bewaffnet war; er hatte nicht damit gerechnet, dass der Buchhalter
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