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Lauf, so schnell du kannst

Lauf, so schnell du kannst

Titel: Lauf, so schnell du kannst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Howard
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saß. Wenn er weiter so direkt auf sie zukam, würde sie es in wenigen Minuten wissen.
    Ihr Herz schlug schneller, begann zu pochen, und ihr Magen verkrampfte sich vor Übelkeit. Sie hatte ihr ganzes Leben lang gejagt. Sie konnte gut mit dem Gewehr und auch ganz passabel mit einer Pistole umgehen. Sie hatte schon früher ihr eigenes Essen geschossen. Aber sie hatte nicht gedacht, dass sie einmal in eine Situation geriete, in der sie auf einen
Menschen
würde schießen müssen. Und doch saß sie hier, hielt eine Pistole umklammert und wartete darauf, festzustellen, ob heute der Abend war, an dem sie eine Grenze überschreiten würde, über die sie noch nie auch nur nachgedacht hatte. Um zu überleben, würde sie tun, was immer sie tun musste. Wenn es auf die Frage hinauslief, sie oder Krugman, wenn es hieß, töten oder getötet werden, dann würde sie nicht zögern.
    Sie hatte immer gedacht, dass sie ernsthafte Zweifel haben würde, ein Leben zu nehmen, aber in dieser Situation … nein. Sie hatte keine Zweifel.
    Sie war hier im Vorteil. Sie wusste, dass Krugman kam; seine Taschenlampe verriet ihn, während sie selbst praktisch unsichtbar war. Wenn ein Blitz sie nicht genau im falschen Moment preisgab, konnte sie hier für eine sehr lange Zeit versteckt bleiben, während er die ganze Gegend ringsum absuchte. Bis zur Morgendämmerung war sie einigermaßen sicher vor Entdeckung. Das Problem war, dass sie nicht dachte, dass sie so lange durchhalten konnte. Wenn es dämmerte, würde sie längst an Unterkühlung gestorben sein.
    Sie wartete. Ihr Körper fühlte sich gleichzeitig schwer und leer an, niedergedrückt und doch schwebend. Sie konnte nicht handeln, sondern nur reagieren und hoffen, ihr möge noch genug Kraft bleiben, dass es etwas nützte. Nach einer langen Phase völliger Dunkelheit erhellte ein Blitz den Himmel. Angie spähte schnell um den Baum herum, in Krugmans Richtung, und hoffte, genau erkennen zu können, wo er war. Er war als Reiter nicht geübt genug, um in einer Hand sowohl die Taschenlampe als auch die Zügel zu halten und die Pistole in der anderen, vor allem wenn … Eine Erinnerung regte sich plötzlich, an diese höllischen Augenblicke, nachdem der Bär in das Lager eingedrungen war und Krugman die Pferde genommen hatte und geflohen war.
Er hatte keine Zeit gehabt, eins der Pferde zu satteln.
Er ritt ungesattelt. Aber so konnte er auf keinen Fall mit nur einer Hand ein Pferd kontrollieren und eine Taschenlampe halten, und ebenso unmöglich war es, dass er eine Taschenlampe und eine Pistole in der einen Hand hatte, während er mit der anderen die Zügel hielt.
    Würde er unter diesen Bedingungen überhaupt versuchen zu reiten? Oder war es wahrscheinlicher, dass er zu Fuß unterwegs war, die Taschenlampe in einer Hand, die Pistole in der anderen? Sie musste wissen, was da kam.
    Der Blitz war zu kurz, und sie konnte Krugman nicht lokalisieren. Statt sich zurückzuziehen, blieb sie in Position und blickte angespannt, bis sie wieder den Schwung des Taschenlampenstrahls sah. Dann wartete sie, die Augen auf diesen Strahl gerichtet, während er näher und näher kam. Der nächste Blitz folgte mehrere Sekunden später und enthüllte eine Gestalt zu Pferd, die so deutlich zutage trat wie auf einem Fotonegativ. Der Blitz war kurz, und als er vorüber war, war sie geblendet – und würde geblendet bleiben, bis ihre Augen sich wieder an die Dunkelheit gewöhnt hätten. Aber sie hatte genug gesehen. Obwohl der Blickwinkel und die Bäume den Reiter verbargen, befand sich die Taschenlampe in der Hand einer Person auf einem Pferd, in einem Sattel … und es war keins der Pferde, das sie vor weniger als vierundzwanzig Stunden in das Camp gebracht hatte.
    Also war noch jemand hier draußen in diesem Sturm. Gütiger Gott,
warum denn?
Außer Krugman würde niemand nach ihr suchen, es sei denn, dass hier einiges vor sich ging, von dem sie nichts wusste, und jemand suchte nach Krugman. Aber das bei Nacht und bei diesem Wetter zu tun war so unvernünftig, dass ihr kein Szenario einfiel, das gepasst hätte. Entweder das, oder ihr erschöpfter Verstand konnte das Offensichtliche nicht erfassen.
    Sie musste auch berücksichtigen, dass sie möglicherweise äußerst erschöpft war und gar nicht mehr klar denken konnte, was ihr die Entscheidung schwieriger machte. Wenn der Reiter sie irgendwie fand und es jemand war, den sie nicht kannte … konnte sie, sollte sie schießen? Sie wusste es nicht. Sie brauchte Hilfe,

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