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Lauf, so schnell du kannst

Lauf, so schnell du kannst

Titel: Lauf, so schnell du kannst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Howard
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aber was, wenn das einer … einer von den Bösen war? Sie wollte keine falsche Entscheidung treffen, daher konzentrierte sie sich darauf, sich klein zu machen, in der Erde zu verschwinden, sodass die Person auf dem Pferd sie nicht finden würde und sie nicht gezwungen wäre, diese Entscheidung zu treffen.
    Sie saß ganz still da und hoffte, dass der Reiter an ihr vorbeizöge. Vielleicht verlor sie das Bewusstsein, und ihr müder Körper meldete sich einfach für einen Moment ab, denn innen und außen gab es nichts anderes als Schwärze, und dann war der Reiter plötzlich fast genau vor ihr, am Fuß des Hanges, und ein flackernder Blitz erhellte schon wieder die Landschaft. Alles Blut wich ihr aus dem Kopf.
    Sie konnte das Gesicht des Reiters zwar nicht sehen, aber das brauchte sie auch gar nicht. Sie kannte die Art, wie er im Sattel saß, und, verdammt, sie kannte auch diesen Hut. Was zum Teufel tat Dare Callahan mitten in der Nacht hier draußen im Sturm?
    Angie versuchte, ihren trägen Verstand anzukurbeln. Was auch immer der Grund sein mochte, er wusste nichts von dem Bären, und er wusste nichts von Krugman. Mit dieser Taschenlampe in der Hand, die seine Position verriet, war er ein leichtes Ziel. Ihr Herz schlug ihr gegen die Rippen, und ein stummer Schrei bildete sich in ihrer Kehle.
    Sie wusste nicht, wie sie es schaffte. In der einen Sekunde saß sie auf dem Boden, an den Baum gelehnt, und in der nächsten kroch sie vorwärts; ihre Muskeln und ihr Knöchel schrien. Sie versuchte weiter, genug Luft in die Lungen zu ziehen, um nach ihm zu rufen, versuchte, einen Laut, irgendeinen Laut aus ihrer zusammengeschnürten Kehle zu pressen, aber es kam nur ein schwaches Stöhnen heraus, das nicht einmal sein Name war.
    Er ritt jetzt an ihr vorbei. Nein.
Nein!
    Verzweifelt kratzte sie mit der Hand über den Boden, fand einen Stein. Sie warf ihn. Vielmehr versuchte sie, ihn zu werfen. Sie hatte keine Kraft mehr. Der Stein rollte ihr irgendwie aus der Hand und fiel nur wenige Schritte entfernt zu Boden.
    Sie durchsuchte im Dunkeln den Schlamm, fand einen Stock und schlug damit auf den Boden. Doch das Geräusch verlor sich in dem unablässigen Trommeln des Regens, dem immer ferner werdenden Grollen des Donners.
    Sie kroch auf das Licht zu, auf Dare zu. Minuten zuvor war ihr der trostlose Gedanke gekommen, dass sie es vielleicht nicht schaffen würde. Sie würde nicht aufgeben, sie würde niemals einfach kapitulieren, aber der Gedanke war da gewesen und hatte an ihrer Kraft gezehrt. Jetzt war Dare hier, und sie war nicht allein. Er war buchstäblich das Licht am Ende eines langen, dunklen Tunnels, und er ritt von ihr weg.
    Verzweifelt tastete sie nach einem anderen Stein, konnte aber keinen finden.
    »Dare.«
    Das Wort war nicht mehr als ein ersticktes Flüstern in ihrer Kehle.
    Er wendete das Pferd und ließ den Strahl der Taschenlampe über den Boden gleiten. Das Pferd tänzelte nervös, überhaupt nicht glücklich mit seiner Lage, aber es gehorchte der starken Hand, die die Zügel hielt. Pferd und Reiter wechselten die Richtung.
    Angie rang um Orientierung und begriff plötzlich, dass er direkt auf ihr Camp zuritt. Er musste in seinem Lager gewesen sein; vielleicht hatte er die Schüsse gehört und war gekommen, um zu sehen, ob etwas passiert war, und er hatte Mühe, ihr Lager in der Dunkelheit und bei dem höllischen Wetter zu finden. Was auch immer der Grund sein mochte, er war jedenfalls hier, und er hatte keine Ahnung, was ihn im Lager erwarten mochte.
    Nein. Er durfte dort nicht hinreiten.
    Sie schrie. Das Geräusch platzte ganz plötzlich aus ihr heraus. Es war nur ein Wort, sein Name. »Dare!« Ihre Stimme war nicht mehr als ein Krächzen; ihr war kalt, sie war heiser, und sie war erschöpft. Aber es war laut genug, dass er das Pferd zügelte und den Strahl der Taschenlampe umherschweifen ließ. Sie hörte seine knarrende Stimme zurückrufen.
    »Angie? Wo zum Teufel steckst du?«
    Ja, es war definitiv Dare. Wenn sie der Typ gewesen wäre, der leicht weinte, jetzt wäre sie in Tränen ausgebrochen.
    Er trieb sein Pferd mit einem Schenkeldruck vorwärts, direkt auf sie zu. Sie hob einen zittrigen Arm und wäre beinahe aufs Gesicht gefallen, in den Schlamm. Oh mein Gott, sie war so glücklich und erleichtert, ihn zu sehen, dass sie vielleicht trotzdem weinen würde. Sie konnte es nicht glauben, konnte einfach nicht glauben, dass er tatsächlich da war, konnte nicht glauben, dass sie wirklich so
glücklich
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