Lauf, so weit du Kannst!
nicht darüber nachdenken. Tief genug, um sich ein paar Knochen zu brechen, wenn man schlecht landet.
Aber die Alternative ist viel schlimmer.
Und man kann da runterspringen. Es gibt Kids, die tun so was andauernd. Ich war mal gut darin. Dieser Sprung kann sogar Spaà machen, wenn man weiÃ, wieâs geht. Wenn man drauf steht, über Dächer zu springen. So wie ich früher. Als ich fit war. Und verzweifelt.
Aber jetzt bin ich nicht fit.
Nur verzweifelt.
Deshalb muss ich diesmal wohl einfach springen und das Beste hoffen. Wenn ich es schaffe, habe ich eine Chance, mich in Sicherheit zu bringen. Wenn nicht, dann reichen die drei oder vier Sekunden Fall gerade, um der lieben Becky Auf Wiedersehen zu sagen, bevor ich am Boden zerschelle.
Gehen wir.
Den Sims entlang, vorsichtig. Schritt für Schritt. Nicht stehen bleiben, Bigeyes. Ich mache das nicht allein. Geh immer weiter. Wenn man zaudert, blockiert einen der Kopf. Dann ist man erledigt. Man muss immer weitergehen und denken, dass es zu schaffen ist.
Denn es ist zu schaffen.
Das sage ich mir immer wieder. Ich weiÃ, dass ich schwer angeschlagen bin. Mein Körper funktioniert nicht mehr richtig und mein Kopf auch nicht. Aber ich muss mir immer wieder sagen, dass ich es schaffe. Ich war fähig, diesen Mistkerl festzusetzen. Die Angst hat mir etwas verliehen, das ich nun wieder brauche.
Sofort oder in wenigen Minuten, wenn ich auf dem Rand dieses Steindings stehe. Die Kraft, die Nervenstärke, das Glück oder was es auch war, das die Angst mir in dieser Abstellkammer verliehen hat, ich muss es wiederfinden. Die Angst muss mir noch mal helfen.
Da ist das Regenrohr. Jetzt muss ich höllisch aufpassen und mich gut festhalten. Jetzt geht es nicht mehr darum, aufrecht zu stehen, was schwer genug war. Jetzt brauche ich Kraft. Ich muss mich an diesem Rohr festklammern. Wenn es mir aus den Armen rutscht, falle ich.
Dann ist es vorbei.
Vorsichtig ein Bein um das Rohr legen, den Fuà nach hinten schieben und die Zehen zwischen das Rohr und die Wand klemmen. Es fühlt sich okay an, aber ich habe noch kein Gewicht auf den Fuà verlagert. Atme tief durch, noch mal. Das gefällt mir nicht, Bigeyes. Ich fühle mich nicht sicher.
Aber ich muss es tun.
Ich lege den Arm um das Rohr, halte mich daran fest, so gut ich kann, und bewege den Körper rüber. Jetzt hänge ich an dem Rohr und spüre, wie mein Gewicht mich nach hinten zieht. Ich umklammere das Rohr noch fester. Ich bin immer noch da. Ich bin nicht abgestürzt. Noch nicht.
Jetzt vorsichtig runterklettern. Den anderen Fuà zwischen Rohr und Wand klemmen, dann wieder den ersten. Mit den Armen umschlinge ich weiter das Rohr. Ich fühle mich wie ein Baby, das sich an seine Mama klammert. Und genauso schwach. Aber ich bewege mich abwärts, Stück für Stück.
Ich drehe den Kopf, schaue nach unten. Ich erkenne das beckenartige Steinding. Darunter lauert der Abgrund. Und da drüben, nur einen Sprung entfernt, ist das Flachdach des Hotels Grosvenor. Ich klettere weiter abwärts. Ich darf nicht hektisch werden. Ich muss einen kühlen Kopf bewahren. Wenn ich ruhig bleibe, bleibe ich am Leben.
Das hoffe ich jedenfalls.
Ja, ich muss das Beste hoffen.
Da ist das Steinding. Ich setze einen Fuà auf seinen Rand und umklammere weiter mit beiden Armen das Regenrohr. Ich will es nicht loslassen, aber ich muss. Ich muss mich umdrehen und runterschauen, in den Abgrund, auf das Dach. Tief durchatmen, noch mal, und umdrehen.
Langsam.
Ich lasse mit einer Hand los, weil ich mich sonst nicht umdrehen kann. Mit dem rechten Arm umschlinge ich noch das Regenrohr, aber der linke Arm ist nun frei. Ich habe mich halb umgedreht und teste, ob ich auf dem Rand des Steinbeckens einen festen Stand habe. Wo Regenwasser aus dem Rohr gespritzt ist, ist der Stein nass und rutschig. Aber ich muss dem Ding trauen. Es gibt sonst nichts, wo ich mich draufstellen könnte.
Irgendwie muss ich meinen rechten Arm freibekommen.
Ich ziehe ihn vorsichtig vom Regenrohr weg und drehe mich ganz um. Nun sind beide Arme hinter mir und die Hände umklammern das Regenrohr. In meinem ganzen Leben habe ich mich noch nie so nackt gefühlt. Und ich habe mich oft nackt gefühlt, Bigeyes. Das kannst du mir glauben.
Doch jetzt ist nicht der passende Augenblick, um darüber zu reden.
Jetzt muss ich springen.
Aber ich kann nicht. Ich bin wie gelähmt. Ich stehe stocksteif auf einem
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