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Lauf, so weit du Kannst!

Lauf, so weit du Kannst!

Titel: Lauf, so weit du Kannst! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Bowler
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noch was, was dieser Professor in seinem Buch geschrieben hat. Er schreibt, dass manche Sterne bereits tot sind, bevor ihr Licht uns erreicht. Genau, Bigeyes. Ein Teil von diesem Licht kommt von Geistern.
    Ich könnte da oben Menschen sehen.
    Vielleicht tue ich das sogar.
    Manche leben und manche sind tot.
    Alle funkeln in der Dunkelheit. Denn die Toten verschwinden nicht. Ich sage dir, Bigeyes, sie sind nicht weg. Du könntest alle Menschen auf der Welt töten und sie würden weiter in der Dunkelheit funkeln. In deiner Dunkelheit. Bis du auch tot bist. Dann gehen alle Lichter aus.
    Und was den Mond betrifft …
    Der ist auch nur ein totes Ding.
    Aber wenigstens erreicht sein Licht uns schneller. Und im Moment lässt es die Klinge des Messers aufblitzen. Ich halte es hoch. Es sieht in meiner Hand beinahe hübsch aus.
    Ich klappe es zusammen und stecke es ein.
    Ich schließe die Augen.
    Ich habe genug vom Nachthimmel gesehen. Ich werde die Sterne und den Mond im Kopf behalten, und das Messer. Und die funkelnden Lichter der Menschen, die gestorben sind.
    Es dämmert schon. Ich zittere, aber ich habe geschlafen. Und ich bin noch am Leben. Warum lebe ich noch? Es ist was passiert. Ich bin mit einem Mantel zugedeckt.
    Ich erstarre und schaue mich um. Mein Kopf liegt immer noch außerhalb des Rohrs, mit dem Gesicht nach oben. Der Rest von mir ist zusammengerollt und durchgefroren. Meine Hand umklammert das Messer. Die Klinge ist draußen. Und der Mantel …
    Es ist der Mantel dieses Penners. Ich erkenne ihn wieder, seinen schweren alten Mantel. Ich winde mich aus dem Rohr und schaue mich um. Angst schnürt mir die Kehle zu, weil ich nicht gemerkt habe, dass der Typ hergekommen ist und mir den Mantel übergeworfen hat.
    Das erschreckt mich, Bigeyes. Denn ich merke es sonst immer, wenn jemand sich anschleicht. Selbst wenn ich schlafe. Deshalb bin ich noch am Leben. Aber diesmal, als ich durchgefroren, panisch und verzweifelt war, konnte dieser Typ einfach kommen und mich zudecken, ohne dass ich aufgewacht bin.
    Aber da ist noch ein anderes Gefühl, das mir die Kehle zuschnürt.
    Denn noch nie hat jemand mir seinen Mantel überlassen und mich zugedeckt. Warum sollte jemand so was für mich tun? Warum hat dieser Penner das getan? Ich habe dir gesagt, dass ich ihn flüchtig kenne, aber wir haben uns bloß ab und zu im Vorbeigehen zugenickt. Wir kennen uns also nicht so gut, dass ich ihm helfen würde, oder er mir, dachte ich. Schon gar nicht, nachdem ich so unfreundlich zu ihm war.
    Ich bin platt. Ehrlich.
    Vielleicht hat er mir mit seinem Mantel sogar das Leben gerettet.
    Aber darüber kann ich jetzt nicht nachdenken. Denn es wird langsam hell, und ich muss mich entscheiden, was ich tun werde. Wir können nicht hierbleiben. In ein paar Stunden kommen die Bauarbeiter. Dann müssen wir längst weg sein. Aber wo sollen wir hin? Ich habe nicht erwartet, dass ich diese Nacht überlebe. Das Problem ist, dass ich immer noch schwach bin. Ich habe keine Kraft. Jedenfalls nicht viel.
    Und ich zittere immer noch.
    Es ist jetzt gefährlicher als gestern. Viel gefährlicher. Erstens können wir uns nicht mehr in der Dunkelheit verbergen. Zweitens suchen jetzt alle nach uns. Meine Feinde sowieso, aber die Bullen auch. Und jeder Typ mit einem Hund, der die Nachrichten gehört hat. Also die halbe Stadt. Nun, da weitere Morde geschehen sind, ist es schlimmer denn je.
    Alle werden mich schnappen wollen.
    Also wohin? Ich schätze, jetzt ist die Entscheidung leicht. Ich habe dir ja gesagt, dass ich nicht in der Stadt bleiben kann. Sie war gut zu mir, aber ihre Zeit ist vorbei. Ich kann also entweder abhauen und mich woanders totstellen oder zum großen Monster zurückkehren.
    Und dort gegen meine Feinde kämpfen, wo sie mich nicht erwarten.
    Mir passt weder das eine noch das andere, Bigeyes. Nicht in meinem erbärmlichen Zustand. Mein Bauch sagt mir: Verschwinde, geh woandershin. Es gibt andere Städte, andere Orte, wo ich mich totstellen kann. Es wird einige Zeit dauern, dort alles auszukundschaften und neue Hütten zu finden. Aber das habe ich schon mal getan. Ich kann es wieder tun. Wenn ich es nur schaffe, am Leben zu bleiben. Und wegzukommen.
    Sonst bleibt nur das Monster.
    Und damit ist alles klar. Eigentlich habe ich gar keine Wahl. Ich bin dem Monster nicht gewachsen. Nicht in diesem Zustand. Wahrscheinlich in gar keinem Zustand.
    Das heißt, ich muss aus der

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