Lauf, so weit du Kannst!
Stadt verschwinden. Ich muss diesen Tag durchstehen, am Leben bleiben, auÃer Sicht bleiben und mich fortstehlen, wenn es dunkel wird.
Irgendwo anders neu anfangen.
Weit weg.
Es muss Orte geben, die genauso gut sind wie diese Stadt. GroÃe Orte voller Hütten. Orte, wo ich sicher leben kann. Auch wenn meine Feinde mich nicht vergessen werden. Denn das ist das Problem, Bigeyes. Das wollte ich bisher nicht wahrhaben. Ein Teil von mir dachte, wenn ich mich lange genug totstelle, würden sie mich vergessen, mich davonkommen lassen. Und die Vergangenheit würde keine Rolle mehr spielen. Aber ich war ein Idiot. Ich hätte es besser wissen müssen.
Die hohen Tiere vergessen nicht, was war.
Deshalb werden sie weiter nach mir suchen lassen. Ihre Leute werden immer hinter mir her sein. Deshalb muss mein nächster Ort besser sein als dieser. Aber ich denke zu weit voraus. Unser gröÃtes Problem im Moment ist, dass wir bis zum Abend irgendwie durchkommen müssen.
Ich habe einen Plan.
Oder sagen wir eine Idee. Alles hängt davon ab, wie es läuft. Erst mal muss ich sehen, ob ich überhaupt laufen kann. Und ich darf nicht erkannt werden. Der Mantel des Penners ist ganz hilfreich. Er hat eine Kapuze. Aber ich muss aufpassen. Es ist riskant, mit Kapuze rumzulaufen, wenn es nicht regnet. Da hat man schnell misstrauische Bullen am Hals.
Es ist also ein Dilemma. Wenn ich die Kapuze aufsetze, wirke ich verdächtig, und wenn ich sie nicht aufsetze, kann ich erkannt werden. Aber das lässt sich nicht ändern. Ich muss es drauf ankommen lassen. Ich muss beobachten, was um mich herum los ist, und tun, was mir in der jeweiligen Situation am besten erscheint.
Gehen wir.
Ich ziehe den Mantel richtig an und mache die Knöpfe zu. Mir wird sofort wärmer, aber ich zittere trotzdem. Ich muss mich bewegen und in Bewegung bleiben. Ich steige aus dem Graben und schaue mich um. Alles ruhig, bis auf eine Katze, die auf dem Bagger rumklettert. Keine Spur von dem Nachtwächter oder von meinen Feinden.
Aber mir ist mulmig. Es sind jetzt zu viele, die ich abschütteln muss. Und sie sind immer noch in der Nähe. Das spüre ich. Ich laufe rüber zum Zaun und checke wieder alles ab. Im Gebüsch auf der anderen Seite bewegt sich was, was Schwarzes. Ein Hund schnüffelt rum. Ich muss kurz an Buffy denken. Aber dieser Hund interessiert sich nicht für mich.
Ich beginne den Zaun hochzuklettern. Der Hund dreht den Kopf und starrt mich an. Ich bin halb oben.
Nicht bellen, Hundchen.
Und nicht rüberkommen.
Er tut weder das eine noch das andere. Er schaut noch ein Weilchen rüber, dann trabt er davon. Ich bin inzwischen über den Zaun geklettert und sehe mich wieder um. Nirgendwo bewegt sich was. Selbst der Hund ist verschwunden.
Nutzen wir die Zeit, bevor die Welt erwacht, Bigeyes.
Ich laufe auÃen um den Zaun rum und auf eine Siedlung zu. In dieses Viertel gehe ich selten. Es gibt dort keine anständigen Hütten und nicht viel zu klauen. Aber da ist was, das ich will. Wenn ich nur hinkomme. Aber zuerst das Wichtigste.
Essen.
Ich brauche dringend was zu essen.
Mein Kopf pocht jetzt und mir tut alles weh. Ich zittere immer noch und bin total fertig. Ich heule wieder und kann nicht aufhören. Es hat was mit diesem Penner und seinem Mantel zu tun. Und ich habe immer noch das Messer in der Hand.
Verdammt, Bigeyes, was habe ich bloà immer mit diesem Ding?
Ich habe es offen rumgetragen, seit ich aus dem Rohr gekrochen bin. Und das habe ich bis jetzt nicht mal gemerkt. Ich klappe es zu und stecke es in die Manteltasche. Es fühlt sich groà und schwer an, obwohl es eigentlich leicht ist. Ich werde versuchen, es zu vergessen. Jedenfalls für eine Weile. Keine Bange, wenn Feinde auftauchen, wird es meine Hand finden, ohne dass ich hinschauen muss.
Wie immer.
Ich laufe weiter. Ich habe die Kapuze nicht auf. Aber ich checke die Umgebung genau ab. Immer noch alles ruhig. Noch keine Leute zu sehen. Ein Rotkehlchen hockt auf einem Zaunpfahl weiter vorn. Es beachtet mich nicht. Ich laufe vorbei und weiter den Weg runter, zum Spielplatz. Zwischen den Schaukeln durch und rüber zum Ausgang.
Ich schaue mich wieder um.
Die erste StraÃe, aber alles ist ruhig.
Trotzdem setze ich die Kapuze auf. Ohne sie wäre es jetzt zu riskant. Ich muss den Kopf unten lassen, das Gesicht verstecken. Ich laufe langsam, bleibe am StraÃenrand. Ich höre einen Wagen hinter mir. Hoffentlich
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