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Lauf, wenn du kannst

Lauf, wenn du kannst

Titel: Lauf, wenn du kannst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Gardner
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meinen Bruder mit einem Messer angegriffen hat. Außerdem ist das mit dem Alkohol am Steuer wirklich passiert. Es war, als mein Vater wieder einmal einen Rückfall hatte - bei ihm lief es mit der Abstinenz nicht ganz reibungslos. Es war eher ein Schritt vorwärts und zwei zurück. Damals hatte ich auch einige Probleme. Also haben wir diese Abmachung wirklich getroffen.«
    »Ich verstehe. Sie haben mich belogen, aber Ihrer Ansicht nach enthielt die Lüge auch ein wenig Wahrheit.«
    »So in etwa.«
    »Hmmm. Und wenn Sie als Kind einen blauen Fleck hatten, hatten Sie dafür sicher auch immer eine Erklärung. Und wenn Ihr Vater nicht zu einer Schulveranstaltung kommen konnte oder Sie vor Ihren Freunden blamierte, gab es wieder eine Erklärung, die möglicherweise zu einem gewissen Prozentsatz wahr war.«
    »Ja, gut, ich verstehe, was Sie meinen. So ungefähr ist es wohl gelaufen.«
    »Sie sagen, Ihrem Vater ginge es besser. Aber ich habe den Eindruck, dass Sie dreißig Jahre später noch immer in diesen Mustern gefangen sind, was auch das Lügen einschließt.«
    Als er nicht sofort antwortete, vermutete sie, dass er über eine glaubhafte Rechtfertigung nachdachte. Doch dann erwiderte er zu ihrer Überraschung ruhig: »Mein Vater würde Ihnen zustimmen.«
    »Würde er das?«
    »Vor acht Jahren ist er den Anonymen Alkoholikern beigetreten, und das ist für ihn wie eine neue Religion. Inzwischen dreht sich bei ihm alles um Reue und darum, zu seinen Taten zu stehen. Er möchte über alte Zeiten sprechen und um Vergebung bitten. Mein Bruder George weigert sich, seine Anrufe entgegenzunehmen. Und was mich betrifft ... Ich will einfach nur vergessen. Damals war mein Vater, wer er eben war, und nun ist er der, der er heute ist. Ich halte es nicht für sinnvoll, auf der Vergangenheit herumzureiten.«
    »Bobby, gibt es nicht Momente, in denen Sie sehr, sehr wütend sind?«
    »Wahrscheinlich schon.«
    »Und gibt es nicht auch Momente, in denen Sie in die Zukunft schauen und eine unbeschreibliche Hoffnungslosigkeit empfinden?«
    »Rann sein.«
    »Und haben Sie nicht manchmal das Gefühl, die Dinge nicht mehr im Griff zu haben?«
    Offensichtlich interessiert sah er sie an. »Okay.«
    »Und deshalb müssen Sie mit Ihrem Vater sprechen, Bobby. Und Ihr Vater mit Ihnen. Ihre Familie hat sich zwar verändert, aber die Wunden sind nicht geheilt. Wenn Sie Ihrem Vater verzeihen wollen, müssen Sie sich auch gestatten, ihn für das, was er getan hat, zu hassen. Solange Sie das nicht tun, werden Sie sich nicht weiter entwickeln und ihn nicht aufrichtig als den Menschen lieben können, der er heute ist.«
    Bobby lächelte, und ein matter Ausdruck breitete sich auf seinem erschöpften Gesicht aus. »Ich hasse meine Mutter, reicht das noch nicht?«
    »Ihre Mutter ist ein leichtes Ziel, Bobby. Nachdem sie fort war, waren Sie gezwungen, Ihren Vater zu lieben, denn schließlich hatten Sie sonst niemanden, der sich um Sie kümmerte. Aber Sie verabscheuten und fürchteten ihn auch, weil er Sie so behandelte. Ihre Mutter zu hassen löste den Konflikt für Sie. Wenn sie schuld an Ihrem Schicksal war, konnten Sie Ihren Vater problemlos lieben. So etwas nennt man verschobene Wut. Und heute, dreißig Jahre später, schleppen Sie eine ganze Menge davon mit sich herum.«
    »Und deshalb ziele ich wohl mit Gewehren auf Menschen, denen ich noch nie zuvor begegnet bin«, spöttelte er.
    »Das weiß ich nicht, Bobby. Nur Sie selbst können sich diese Frage beantworten.«
    Bobby legte die Fingerspitzen aneinander. »Susan sagte, ich sei wütend.«
    »Susan?«
    »Meine Freundin. Meine Ex-Freundin. Bei unserem Gespräch heute Abend ... Sie meinte, ich würde im Leben absichtlich auf Chancen verzichten und mich an meine Wut klammern, weil ich sie brauche.«
    »Und was denken Sie?«
    »Ich tue meine Pflicht.« Seine Stimme wurde lauter, und er fügte beinahe heftig hinzu: »Ist das denn so schlimm? Die Welt ist auf Polizisten angewiesen, Typen wie mich, die mit hochmodernen Gewehren auf Hausdächern kauern. Ohne mich wären Catherine Gagnon und ihr Sohn heute vielleicht tot. Zählt das denn überhaupt nicht?«
    Elizabeth schwieg.
    »Der Rest der Welt erwartet von uns Allwissenheit. Aber ich bin auch nur ein Mensch, kapiert? Ich gebe mein Bestes. Man hat mich an einen Tatort gerufen. Nein, ich habe mich nicht an die Gagnons erinnert, und selbst wenn, hatte ich trotzdem keine Ahnung davon, was bei ihnen hinter den Kulissen passiert. Ich konnte nur auf das reagieren,

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