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Lauf, wenn du kannst

Lauf, wenn du kannst

Titel: Lauf, wenn du kannst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Gardner
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Daunenkissen war man doch bestimmt sicher vor Ungeheuern.
    »Dir Mann vielleicht ...«, schlug der Hotelangestellte höflich vor.
    »Ja, ja, richtig«, murmelte sie. »Er hat vor kurzem seine Karte verloren. Mir war nicht klar, dass die Firma beide Karten sperren würde.«
    Allerdings wusste sie genau, dass das nicht Jimmys Werk war. So gerissen war er nicht. Ihr Schwiegervater steckte dahinter. James hatte das veranlasst. »Du wirst noch dein blaues Wunder erleben ...«
    »Haben Sie vielleicht eine andere Karte?«, fragte der Mann.
    »Äh ... lassen Sie mich nachsehen.« Catherine klappte die Brieftasche auf, und starrte benommen auf ihre Kartensammlung. Sie hatte noch eine Amex und zwei andere Platinkarten, die sie dem Hotelangestellten hätte geben können, aber sie wusste, dass es zwecklos war. James war ein gründlicher Mensch. Außerdem würde sie dem Mann mit weiteren ungültigen Karten nur misstrauisch machen.
    Sie zählte ihr Bargeld nach. Einhundertfünfzig Dollar. Nicht genug fürs Ritz.
    Also unternahm sie noch einen letzten Versuch und hoffte, dass sie nicht so verzweifelt klang, wie sie sich fühlte. »Wie Sie an der Adresse auf meinem Führerschein erkennen können, wohne ich gleich um die Ecke. Leider hat es bei uns heute Nacht einen tragischen Zwischenfall gegeben, und mein Sohn kann unmöglich in unserem Haus schlafen. Wir brauchen nur ein Zimmer, um uns ein paar Stunden auszuruhen. Ich habe keine andere Kreditkarte, aber ich schwöre, dass ich Ihnen morgen einen Scheck bringe.«
    »Ma’am, ohne Kreditkarte können wir Ihnen kein Zimmer geben.«
    »Bitte«, murmelte sie.
    Ich habe sehr viel Macht ... du ahnst ja gar nicht ...
    »Tut mir leid, Ma’am.«
    »Er ist erst vier Jahre alt.«
    »Tut mir leid, Ma’am. Sie haben doch sicher Angehörige, die Ihnen helfen können.«
    Catherine wandte sich ab, denn sie wollte nicht, dass dieser Fremde sie weinen sah.
    Auf dem Weg durch die Hotelhalle bemerkte sie einen Geldautomaten. Mit dem Schlimmsten rechnend, zog sie ihre Automatenkarte heraus, steckte sie in das Gerät und gab ihre Geheimnummer ein.
    Auf dem Bildschirm erschien eine Nachricht: »Bitte wenden Sie sich an die nächste Filiale Ihres Kreditinstituts. Danke.«
    Der Automat spuckte ihre Karte wieder aus. Schluss und vorbei. Kein Bargeld, kein Plastik. Trotz aller Mühe, die sie sich gegeben hatte, um ihrem Schwiegervater immer einen Schritt voraus zu sein, hatte er sie wieder ausgetrickst. Wie weit würde sie mit einhunderfünfzig Dollar in bar kommen?
    Catherine holte tief Luft. Kurz hörte sie eine schwache Stimme in ihrem Hinterkopf: Gib Nathan auf. Wenn sie ihr Blatt richtig ausspielte, würde sie James vielleicht dazu bringen können, ihr einen Scheck auszuschreiben. Nein, lieber nicht, sie würde auf Bargeld bestehen. Oder noch besser auf eine Banküberweisung. Wie viel war ein Sohn wert? Einhundertausend Dollar, zweihunderttausend, eine Million?
    Sie war keine gute Mutter. Die Behörden lagen nicht so falsch, wie ihr lieb gewesen wäre. Sie konnte eben nicht so lieben, wie andere Menschen es taten. Und sie fühlte nicht so, wie andere fühlten. Als glückliches kleines Mädchen war sie in das Loch geworfen worden, und als leere menschliche Hülle war sie wieder herausgekommen. Sie war nicht normal. Sie tat nur ihr Bestes, um die Normalität nachzuahmen, die sie bei ihren Mitmenschen beobachtete.
    Immerhin hatte sie es zu Mann und Kind gebracht. Und hier stand sie jetzt, sechsunddreißig Jahre alt, und hatte immer noch Angst vor der Dunkelheit.
    Catherine kramte ihr Mobiltelefon hervor und wählte eine Nummer. Es läutete eine Ewigkeit. Endlich meldete sich eine Männerstimme.
    »Bitte«, flüsterte sie. »Wir können sonst nirgendwo hin.«
     
    »Glauben Sie, dass Catherine Gagnon von ihrem Mann misshandelt wurde?«, fragte Elizabeth.
    »Ja.«
    »Fanden Sie, dass sie es verdient hatte?«
    »Was zum Teufel verstehe ich schon davon?«
    »Aber, Bobby, Sie sind wütend auf Ihre Mutter, und Sie sind wütend auf Catherine. Ein Teil Ihrer Wut rührt daher, dass diese beiden Frauen sich Ihrer Ansicht nach auch anders hätten verhalten können. Sie hätten verhindern müssen, dass sie zum Opfer werden.«
    »Ich habe sie beobachtet«, stieß Bobby hervor. »Manchmal, wenn mein Vater abends nach Hause kam, war er offensichtlich bereits sternhagelvoll. Ich habe miterlebt, wie sie ihm dann zugesetzt hat. Hast du schon wieder getrunken? Ach, du meine Güte, kannst du nicht ein Mal vernünftig

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