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Lauf, wenn du kannst

Lauf, wenn du kannst

Titel: Lauf, wenn du kannst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Gardner
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skeptisch und stieß dann ein zustimmendes Brummen aus. »Wissen Sie, was eine Anhörung vor dem Amtsgericht ist?«
    »Eine was?«
    »Das ist eine vorläufige Anhörung. Anschließend meldet die Kammer das Ergebnis an das Bezirksgericht von Chelsea und Suffolk County weiter; es handelt sich also um eine Zivilklage, keine Strafsache. Vermutlich ist Ihnen neu – verdammt, ich hatte auch keine Ahnung –, dass jeder X-Beliebige so eine vorläufige Anhörung zur Feststellung eines dringenden Tatverdachts beantragen kann, um zu ermitteln, ob a) überhaupt ein Verbrechen vorliegt und ob es b) vom Verdächtigen begangen wurde. Falls die Anhörung einen dringenden Tatverdacht erkennt, wird ein Strafverfahren gegen den Verdächtigen eingeleitet, obwohl es sich eigentlich um eine Zivilkammer handelt. Im Grunde genommen heißt das, dass jeder Zivilist die Möglichkeit hat, die Staatsanwaltschaft zu übergehen und ein Strafverfahren anzustrengen, sofern er einen Anwalt und das nötige Geld dazu hat. Und jetzt fragen Sie sich sicher, was das alles Sie angeht, Bobby.«
    »Was geht mich das alles an?«, wiederholte Bobby gehorsam.
    »Um sechzehn Uhr fünfundvierzig heute Nachmittag hat Maryanne Gagnon, Ehefrau von James Gagnon, Richter am Obersten Gericht von Suffolk, eine solche vorläufige Anhörung beantragt, und zwar mit der Begründung, es liege dringender Tatverdacht auf Mord vor und Sie seien der Täter.«
    Bobby machte den Fehler, die Augen zu schließen. Sofort begann die Welt, sich um ihn zu drehen, sodass ihm übel wurde.
    »Richter Gagnon hat nicht die Absicht, zu warten, bis die Staatsanwaltschaft von sich aus tätig wird, Bobby. Ihm ist es völlig gleichgültig, was die Ermittler herausfinden, und die Untersuchungsergebnisse unserer Abteilung interessieren ihn einen Dreck. Er will Sie persönlich zur Strecke bringen.«
    »Ich dachte ... ich dachte, ich wäre als Angestellter im öffentlichen Dienst des Staates Massachusetts immun gegen solche Klagen. Da gibt es doch die so genannte Regelung der Amtshaftung des Staates Massachusetts, und die besagt, dass bei dienstlichen Handlungen nur der Staat verklagt werden kann, nicht der betreffende Polizist.«
    »Es stimmt, dass niemand gegen Sie persönlich eine Zivilklage anstrengen kann, Bobby. Aber das hier ist kein Zivilprozess, sondern eine vorläufige Anhörung, mit dem Ziel, Strafanzeige zu stellen. Es geht um ein Kapitalverbrechen, was heißt, dass Sie ins Gefängnis wandern, falls Sie schuldig gesprochen werden. Dieser Mensch will sich seine Trauer nicht mit einer Schadensersatzzahlung versüßen lassen, sondern Sie fertig machen, Bobby.«
    Bobbys Beine gaben nach, sodass er unsanft auf dem Hinterteil landete. Als er ruckartig nach links kippte, packte Bruni ihn am Arm. Dann setzte sich der Lieutenant ebenfalls auf den Randstein. Die beiden Männer verharrten reglos in einer Lücke zwischen zwei Autos, und eine Weile sagte keiner von ihnen ein Wort.
    »Mein Gott«, stieß Bobby schließlich hervor.
    »Tut mir leid, Bobby. Ich schwöre, dass ich auch noch nie von sowas gehört habe. Haben Sie einen Anwalt?«
    »Ich dachte, die Gewerkschaft stellt mir einen.«
    »Die Gewerkschaft kann Ihnen hier nicht helfen, da Sie persönlich angeklagt sind und nicht der Staat Massachusetts oder die Polizeibehörden. Sie sind in dieser Sache ganz allein.«
    Bobby stützte den Kopf in die Hände. Er war zu müde und zu betrunken, um sich damit auseinander zu setzen, und er fühlte sich, als hätte der November auch noch den letzten Rest seiner Kraft aus ihm herausgesaugt.
    »Ich hatte Recht, zu schießen«, protestierte er.
    »Ich kenne niemanden, der etwas anderes behauptet.«
    »Der Mann wollte seine Frau umbringen.«
    »Ich habe mir heute Nachmittag die Aufzeichnung des Funkverkehrs mit der Kommandozentrale angehört. Sie sind genau nach Vorschrift vorgegangen, Bobby. Sie haben die Ereignisse geschildert, genau beschrieben, was geschah, und sich so verhalten, wie Sie es in Ihrer Ausbildung gelernt haben. Vielleicht werden Sie es sonst von niemandem hören, aber ich bin stolz auf Sie, Bobby. Sie hatten einen Auftrag, und Sie haben sich nicht davor gedrückt«
    Bobby versagte die Stimme. Er musste seinen Nasenrücken mit zwei Fingern zusammenkneifen, um die Tränen zu unterdrücken, die ihm plötzlich in die Augen stiegen. Mein Gott, war er müde. Und was noch schlimmer war, er war betrunken.
    »Wird er damit durchkommen?«, fragte er schließlich. »Immerhin ist der Typ Richter

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