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Lauf, wenn du kannst

Lauf, wenn du kannst

Titel: Lauf, wenn du kannst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Gardner
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und hat Geld und Einfluss. Mist, von meinem Gehalt kann ich mir keinen Prozess leisten. Heißt das, dass er gewinnt?«
    »Keine Ahnung«, erwiderte Bruni, doch sein tiefer Seufzer war ein Hinweis darauf, dass er mehr wusste.
    »Ich kapiere das nicht. Jimmy war bewaffnet und hat Frau und Kind mit der Pistole bedroht. Hat das denn gar nichts zu bedeuten? Ist das seinen Eltern egal?«
    »Die Sache ist ein wenig komplizierter.«
    »Warum? Weil er reich ist und ein Haus in Back Bay hat? Seine Familie zu misshandeln, ist und bleibt strafbar, ganz gleich, wie viel Geld man besitzt.«
    Der Lieutenant verstummte.
    »Was gibt es denn noch?«, bohrte Bobby nach. »So reden Sie schon, verdammt.«
    Wieder seufzte Bruni tief auf. »In dem Gerichtsantrag streiten die Gagnons auch gar nicht ab, dass Jimmy bewaffnet war und dass er die Pistole auf seine Frau richtete, aber sie sagen ... Ihrer Ansicht nach ist es die Frau, die in diesem Haus die Probleme verursacht hat, Bobby. Laut Gerichtsantrag hat Catherine Gagnon ihren Sohn misshandelt. Und falls Jimmy sie wirklich bedroht hat, dann nur, um seinem Sohn das Leben zu retten.«

7
     
    Nathan hatte sich den ganzen Tag übergeben. Nun schlief er endlich, ein blasses, schwächliches Geschöpf, das in dem hellblauen Deckenhaufen viel zu zart wirkte. Seine Wimpern lagen wie dunkle Schatten auf seinen Wangen, und sein eingefallenes Gesicht wirkte viel zu klein und zu alt für ein nur vierjähriges Kind.
    Als Maryanne und James am Morgen die Nachrichten gesehen hatten, waren sie sofort aus dem Bett gesprungen. Allerdings wirkten sie bei ihrer Ankunft viel zu geschniegelt und gebügelt für ein Elternpaar, das noch im Halbschlaf vom Tod seines Sohnes erfahren hatte. Die beiden hatten Nathan seitdem nicht aus den Augen gelassen.
    Natürlich hatte Maryanne – die hellblauen Augen weit aufgerissen und mit zitternden Händen – die hilflose Naive gegeben.
    »Ich kann es nicht fassen«, wiederholte sie unablässig in ihrem aufgesetzten Südstaatenakzent. Nach vierzig Jahren in Boston konnte sie, wenn sie wollte, noch immer klingen wie eine Figur aus einem Stück von Tennessee Williams.
    Allerdings hatte Catherine bemerkt, dass den beiden trotz ihres theatralischen Gehabes nichts entging: Junge, mager und apathisch, steht offenbar unter Druck. Junge läuft nicht zu seiner Mutter, sondern klammert sich an sein Kindermädchen. Junge hat einen frischen Bluterguss auf der Stirn.
    Zwei Mal hatte Maryanne versucht, Catherine für ein »Gespräch unter vier Augen« beiseite zu nehmen. Doch sie hatte sich nicht von der Stelle gerührt. Prudence, das englische Kindermädchen, kannte ihre Aufgaben und war von Catherine wegen ihres Pflichtgefühls und ihres ausgesprochenen Sinns für Diskretion eingestellt worden. Allerdings war sie noch nicht lange bei ihr, und obwohl Catherine ihr strikte Anweisung gegeben hatte, Nathan auch nicht eine Minute mit seinen Großeltern allein zu lassen, wusste sie nicht, ob es dem Mädchen gelingen würde, sich durchzusetzen. James konnte, wenn er wollte, sehr charmant sein. Catherine traute ihm durchaus zu, Prudence um eine Tasse Tee zu bitten, und wenn sie nur einen Moment hinausging, war die Schlacht verloren.
    Dieses Risiko konnte Catherine sich auf keinen Fall leisten. Inzwischen nicht mehr.
    Selbstverständlich hatten Maryanne und James ihr angeboten, sie könne doch mit Nathan bei ihnen wohnen. Nach den »schrecklichen Ereignissen« der letzten Nacht bräuchten sie sicher eine Unterkunft, um Abstand von dieser »tragischen Szene« zu gewinnen. Um Himmels willen, Catherine, denk doch an den Jungen. Er ist wirklich ziemlich blass um die Nase.
    Schließlich hatte James die Geduld verloren. Sobald Prudence Nathan aus dem Zimmer geführt hatte – wahrscheinlich musste er sich wieder übergeben –, hatte sich die geballte Wucht seiner Wut ungebremst gegen Catherine gerichtet.
    »Glaub bloß nicht, dass du damit durchkommst. Jimmy hat uns erzählt, was hier gespielt wird. Meinst du wirklich, du hättest letzte Nacht gewonnen? Denkst du, es hätte deine Probleme gelöst, Jimmy umzubringen? Denn eins sage ich dir: Deine Probleme haben gerade erst angefangen.«
    Einen Moment hatte Catherine es tatsächlich mit der Angst zu tun bekommen. Ihr fiel die neue Alarmanlage ein, die Jimmy vor sechs Monaten hatte einbauen lassen. Sie war nicht eingeschaltet gewesen. Das Lämpchen hatte nicht geleuchtet. Da war sie ganz sicher. Im nächsten Moment wurde ihr klar, dass sie zu

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