Lauf, wenn du kannst
schwierig, ein paar Tage in einer Schönheitsfarm zu verbringen, anschließend eine Woche in Paris und zwei Wochen in Rom.
Das erste Kindermädchen war da, und seitdem war Catherine für ihr Kind nur noch eine Besucherin.
Abby kam gut mit Nathan zurecht. Sie fütterte ihn mit Babynahrung auf Sojabasis, sodass sich sein empfindlicher Magen beruhigte. Sie las ihm die erste Geschichte vor, kam in den Genuss seines ersten Lächelns und war dabei, als er den ersten Schritt machte. Abends hörte Catherine sie am anderen Ende des Flurs. Abby las mit ihrer weichen Singsangstimme »Good Night Moon«, während Nathan sich an ihre Brust kuschelte und leise wohlige Geräusche von sich gab.
An seinem ersten Geburtstag war Nathan hingefallen. Als Catherine ihn aufheben wollte, hatte er noch lauter geschrien und in Gegenwart aller anderen Eltern nach seinem Kindermädchen verlangt. Dann hatte er die Arme um Abbys Hals geschlungen und das Gesicht an ihrem Hals vergraben.
Gleich am nächsten Tag hatte Catherine die Frau vor die Tür gesetzt. Und Nathan hatte einen Monat lang geweint.
Nach Abby war Chloe gekommen, ebenfalls ausgesucht von Jimmy. Sie war eine zierliche kurvenreiche Französin, und es hatte Catherine nicht einmal gewundert, sie eines Tages beim Nachhausekommen mit Jimmy im Bett anzutreffen. Was war auch anderes zu erwarten, wenn der eigene Ehemann ein »Kindermädchen« mitbrachte, das freimütig gestand, noch nie eine Windel gewechselt zu haben?
Danach übernahm Catherine die Einstellung des Personals. Sie hielt sich lieber an ältere Frauen mit Erfahrung, die sich auskannten und in der Lage waren, einen gewissen Abstand zu ihrem Schützling zu wahren. Sie waren zu reif, um anziehend auf Jimmy zu wirken, zu respektvoll, um anzumerken, wie wenig Zeit Catherine mit ihrem Kind verbrachte, und zu selbstgerecht, um je zu ahnen, wie viele Nächte Catherine in Nathans Zimmer stand und mit wild klopfendem Herzen ihrem zarten Sohn beim Schlafen zusah.
Inzwischen hatte Nathan wohlbehalten seinen vierten Geburtstag gefeiert. Und trotzdem sah Catherine vor ihrem geistigen Auge noch immer einen zerbeulten blauen Chevy in ihre Straße einbiegen: Hallo, Kleine. Ich suche einen entlaufenen Hund.
Natürlich brauchte Nathan gar keinen Fremden, der ihm Albträume verursachte, denn ihm drohte innerhalb dieser vier Wände Gefahr.
Zwei Uhr morgens. Sie musste endlich einschlafen. Allerdings wusste sie, dass sie kein Auge zutun würde. Die Presse parkte immer noch vor dem Haus, und ungeduldige Journalisten lauerten wie die Geier auf einen Skandal. Ab und zu fuhr ein Streifenwagen vorbei. Die Polizisten kontrollierten die Umgebung, hielten ein Auge auf die Reporter und warfen Blicke in den dritten Stock hinauf.
Schon wenige Stunden nach Jimmys Tod hatte Catherine ihre erste Aussage bei der Polizei gemacht. Kühl, ruhig und gefasst. Sie war stolz auf sich gewesen. Mein Mann ist sehr aufbrausend. Er trinkt und gerät dann in Wut. Diesmal hatte er irgendwo eine Pistole aufgetrieben. Weshalb wir gestritten haben? Ist das so wichtig? Gibt es denn eine Rechtfertigung dafür, dass ein Mann seine Frau mit einer Waffe bedroht? Ja, ich hatte Angst. Offen gestanden, Detective, dachte ich, mein letztes Stündlein hätte geschlagen.
Auch mit Nathan hatten die Beamten sprechen wollen. Aber Catherine hatte sie abgewimmelt. Mein Sohn ist zu müde, zu traumatisiert, zu krank. So hatte sie Zeit gewonnen. Bis auf weiteres.
Den Großteil der letzten Nacht und des heutigen Morgens hatten die Ermittler im Schlafzimmer verbracht. Inzwischen war der Raum mit einem gelben Band abgesperrt. Teile des Teppichs waren entfernt worden. Man hatte Glasscherben zusammengefegt und die Bettwäsche mitgenommen. Eine Plastikplane bedeckte das Loch, wo früher die Schiebetür aus Glas gewesen war. Allerdings hatte die Kälte keine Mühe, die Folie zu durchdringen, und der Wind trug unzählige Gerüche ins Haus.
Blut. Urin. Schießpulver. Tod.
Vermutlich hielten die Nachbarn sie für verrückt, weil sie im Haus blieb. Und Presse und Polizei empfanden sicher ebenso. Vielleicht schadete sie Nathan damit ja wirklich. Möglicherweise war sie tatsächlich nicht mehr ganz richtig im Kopf. Aber wohin sollten sie denn gehen? Ihr Vater würde mit einer Situation wie dieser überfordert sein. Und zu ihren Schwiegereltern zu flüchten hätte geheißen, sich in die Höhle des Löwen zu begeben. Es konnte ja auch sein, dass da hinterhältig-geheime Kräfte am Werk waren. Ob sie
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