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Lauf, wenn es dunkel wird

Lauf, wenn es dunkel wird

Titel: Lauf, wenn es dunkel wird Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: April Henry
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bis sie einen tiefen Kratzer auf einer Wange abbekam. Danach streckte sie die rechte Hand etwa dreißig Zentimeter vor ihr Gesicht, damit sie wenigstens kurz vorher gewarnt wurde.
    Cheyenne hatte Duke zum Wald hin ausgerichtet und nicht gewusst, ob er ihrem Vorschlag folgen würde. Aber das hatte er. Sie hatte gespürt, wie er um das Haus und dann auf die Bäume zugegangen war. Der gefrorene Boden knisterte unter ihren Füßen, aber darunter federten die jahrzehntealten Tannennadeln noch weich zurück.
    Obwohl sie wusste, dass für sie das Tageslicht nur noch größere Gefahren bringen würde, vermisste sie den kleinen Rest an Sehvermögen, der ihr tagsüber geblieben war. Wohin führte Duke sie? Sie konnte nur dem Schwanken des Hundes folgen und darauf vertrauen, was ihr Körper ihr sagte. Ihre Gelenke sagten ihr, ob es bergauf oder bergab ging, ob sie nach rechts oder links liefen. Wenn man sehen konnte, beachtete man viele Körpersignale überhaupt nicht, weil man das auch nicht musste. Wenn man blind war, entdeckte man, was der Körper einem schon die ganze Zeit erzählt hatte.
    Gerade spürte Cheyenne, wie ein Ast an ihrem Kopf entlangstrich. Immerhin war er nicht durch ihren Kopf gegangen. Duke hatte sie um einen Baum geführt! »Braver Hund.«
    Duke machte tief in seiner Kehle ein Geräusch. Es hörte sich wie eine Frage an.
    »Ja, du bist ein braver Hund.« Sie hatte keine Ahnung, ob er das gefragt hatte oder ob er wissen wollte, ob er ihr vertrauen konnte, oder ob Duke überlegte, ob sie weitergehen sollten.
    Egal, Cheyenne würde alle Fragen mit Ja beantworten.
    Sie liefen eine ganze Zeit lang. Es ging nur mühsam voran. Cheyenne rutschten ständig die Schuhe von den Füßen, bis sie schließlich das Stück Schnur nahm, das noch immer um ihren Knöchel gebunden war, es in zwei Teile schnitt, durch die obersten Löcher in ihren Schuhen fädelte und jeden mit einem Doppelknoten zuband. Sie gingen weiter, schlugen sich durchs Gebüsch. Ihre Füße blieben an Wurzeln und abgebrochenen Ästen hängen. Manchmal mussten sie anhalten, weil sie hustete und keine Luft mehr bekam. Die Kälte brannte in ihrer Lunge. Sie schlang ihren Schal über Nase und Mund, ließ nur ihre Augen frei, und hoffte, dass die Luft so etwas wärmer würde.
    Der Wind war so eisig, dass es sich anfühlte, als würde er direkt durch sie hindurchschneiden, aber durch ihn konnte sie sich wenigstens die Umgebung besser vorstellen. Sie konnte jetzt zum Beispiel das Rascheln der Blätter hören. In gewisser Weise erschuf der Wind die Bäume. Ohne den Wind gäbe es für sie keine Bäume, zumindest so lange nicht, bis die Äste ihr das Gesicht oder die Arme aufschürften.
    Ab und zu berührte Cheyenne das Ziffernblatt ihrer Uhr. Sie hoffte, dass sie bis Tagesanbruch die Straße finden würde, von der Griffin ihr erzählt hatte.
    Bestimmt waren die Männer inzwischen zurückgekommen. Und sie hatten Griffin gefunden. Cheyenne wollte nicht daran denken, was sie ihm angetan hatte. Und jetzt würden sie Jagd auf sie machen. Solange es dunkel war, hatte sie vielleicht einen kleinen Vorteil. Das Problem war, dass sie und Duke nicht mal zwei Meilen in einer Stunde zurücklegten. Vielleicht sogar noch weniger.
    Je tiefer sie in den Wald eindrangen, desto leichter wurde es. Hier schien es weniger Sträucher zu geben. Cheyennes Hosenbeine schlackerten steif hinab, weil sie nass geworden waren, als sie sich durch das Unterholz geschlagen hatte, genau wie ihre Schuhe.
    Sie schleppten sich weiter. Cheyennes Beine waren so schwer, als wären sie voller Prellungen, und ihre Füße warengefrorene Klumpen. Sie wollte die Zehen bewegen, aber es ging nicht.
    Wurde es schon hell? Alles, was sie mit dem linken Auge sehen konnte, war ein verschwommenes Grau. Cheyenne tastete nach ihrer Uhr. Kurz nach sieben. Also wahrscheinlich noch nicht. Aber bald.
    Duke winselte.
    Cheyenne erstarrte. »Was ist los, mein Junge?«, flüsterte sie. Sie hörte, wie es links von ihr in den Sträuchern raschelte. Oh, Scheiße. Das war’s. Sie hatten sie gefunden.
    Duke bellte. Ganz automatisch wollte sie ihre Hand auf seine Schnauze legen, aber Duke schnappte danach. Überrascht riss sie die Hand zurück. Sie hatte einen Augenblick lang vergessen, dass sie mit Duke hier war und nicht mit Phantom.
    Dann passierten mehrere Dinge gleichzeitig.
    Duke zerrte nach vorne und brach in lautes Gebell aus.
    Etwas schoss aus den Büschen hervor und rannte direkt vor sie. Als Cheyenne das Unterholz

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