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Laufend loslassen

Laufend loslassen

Titel: Laufend loslassen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Mall
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Liebe und Frieden aus. Ich bin dankbar für diese Abrundung. Als ich gegen 22 Uhr ins Quartier komme, finde ich Verena in der Küche. Ich lade sie zu einem Glas Wein ein und wir unterhalten uns gut. Es geht um Gefühle, darum, ob es hierbei Unterschiede zwischen Männern und Frauen oder Generationenunterschiede bei deren Wahrnehmung und Ausdruck gibt. Wir erzählen einander Prägungen und Wahrnehmungen. Ich spreche dabei aus, was ich immer deutlicher spüre. Ich merke Gefühle seit dem Camino viel differenzierter und direkter als vorher. War es erst der Körper, der empfindsamer wurde, so ist es jetzt die Psyche. In diesem Bereich haben sich die Dumpfheit und die Eintrübung, mit denen ich mich wohl zum Schutz vor allzu vielen trostlosen Erfahrungen im Lauf vieler Jahre eingehüllt hatte, abgebaut. Diese seelische Empfindsamkeit bereichert mich, aber es ist auch anstrengender, meine Gefühle direkter wahrzunehmen.
    Müde und dankbar gehe ich zu Bett und schlafe gut.
     

Mittwoch, 29. August
    Die innere Pilgeruhr verstellt sich langsam. Ich wache kurz nach sieben auf. Bald wird es Tag. Während ich mich fertig mache, überlege ich, was mir heute noch wichtig ist zu tun: noch einmal mit Verena reden und von ihr Abschied nehmen und zur Pilgermesse in die Kathedrale gehen. Nach dem Frühstück wird ein letztes Mal der Rucksack gepackt und von allen Tüten befreit, die jetzt nicht mehr gebraucht werden. Als ich damit fertig bin, treffe ich Verena in der Küche. Ich frage sie, ob ich mich zu ihr setzen kann. „Ja.“, meint sie, „du kannst dich gerne dazusetzen.“ Während sie frühstückt und ich noch ein Glas Wasser trinke, entwickelt sich ein intensives Gespräch. Es geht um ihre Liebe zu Dennis und wann ich und sie etwas davon gemerkt haben. Sie erinnert sich: „Ist es nicht seltsam, dass Dennis und ich schon in Roncevalles in zwei nebeneinanderliegenden Betten geschlafen haben, in diesem riesigen Saal mit 120 Schlafplätzen?.“ Und mit Blick auf den gemeinsamen Weg fragt sie: „In Zubiri war doch noch nicht klar, dass wir zusammen laufen werden. Wann hat sich das eigentlich entwickelt?.“ Ohne lange überlegen zu müssen verweise ich auf Pamplona: „Ich glaube, dass unsere Gespräche über die Bücher, die uns beeinflusst haben, viel dazu beigetragen haben, dass wir voneinander erführen, was uns wesentlich und wichtig ist.“
    „Ja.“, antwortet sie, „das war auf dem Weg nach Eunate.“
    Es geht auch um meine Liebe zu ihr, die sie nicht einordnen konnte. Ich erzähle ihr, wie es mir ging damit.
    „Das muss für dich auch eine schwierige Zeit gewesen sein.“, meint sie einfühlsam.
    „Ja, das war so.“, bestätige ich aus tiefem Herzen. „Ich wusste ja, dass uns der große Altersunterschied trennt. Wenn ich dreißig Jahre jünger wäre, hätte ich heftige Anstrengungen unternommen, deine Liebe zu gewinnen.“ Da lacht sie. „Ich habe da noch eine Tante.“, schlägt sie mit einem schalkhaften Lächeln vor. „Vielleicht wird es für dich leichter, wenn wir wieder daheim sind. Mach den Weg noch einmal, oder einen anderen. Und vielleicht ist alles ganz anders zu Hause.“
    Unser Gespräch bricht ab, als eine andere Pilgerin, sie ist Italienerin, zu uns in die Küche kommt.
     
    Wenig später breche ich zum Pilgergottesdienst auf. Die Messe ist heute besonders feierlich. Priester aus vielen Ländern sind dabei. Ich bin dankbar, dass so mein Abschiedsgottesdienst ist. Und wieder schwingt zum Abschluss das Botafumeiro ganz nahe über mir.
    Tränen der Rührung stehen mir in den Augen.
     
    Es ist ein Uhr, als ich wieder in der Herberge bin. Ich habe darauf gehofft und es ist so, Verena ist da. Der Abschied ist jetzt unabwendbar gekommen. Ich esse noch ein letztes Brot, um die Zeit noch ein bisschen hinauszuschieben, aber auch diese Minuten verstreichen schnell. Da kommt eine SMS von Dennis an Verena: Hans aus Landshut ist im ZDF am Cabo Finisterre zu sehen. „Merkwürdig, dass Dennis gerade in dem Moment anruft, wo wir uns verabschieden.“, meint sie nachdenklich. Ich bitte sie, sie segnen zu dürfen und sie willigt ein. Sanft lege ich meine Hände auf ihren Scheitel und spreche, ganz am Beginn mit einem Frosch im Hals: „Der Herr segne und behüte dich. Er halte seine Hand schützend über dich und gebe dir Liebe und Frieden. Amen.“
    „Amen.“, antwortet sie und sagt Danke. Wir fassen einander bei den Händen, schauen uns an.
    „Wir hören voneinander.“, sage ich. Es klingen ein großes

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