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Laugenweckle zum Frühstück

Laugenweckle zum Frühstück

Titel: Laugenweckle zum Frühstück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Kabatek
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immer nicht, auch nicht über die leere Schnapsflasche auf dem Wohnzimmertisch. Und schon gar nicht darüber, dass meine Unterwäsche vom Vorabend verschwunden war. Ich musste jetzt Prioritäten setzen. Die eine ergab sich aus dem Blick in den Spiegel und der Tatsache, dass ich einen Termin beim Fotografen hatte. Der Spiegel hatte auf die Frage, »Spieglein, Spieglein, an der Wand«, geantwortet: »Mädle, gang wieder ins Bett, weil so kannsch di bloß bei dr Geischdrbah bewerba.« Ganz unrecht hatte der Spiegel nicht, ich hatte tiefe Ringe unter den Augen und meine Gesichtsfarbe war aschfahl. Da war aber nichts, was man mit Hilfe der modernen Kosmetik nicht würde richten können, womit ich mich ja bestens auskannte. Meine natürliche Schönheit würde in Null-Komma-Nichts wieder hergestellt sein.
    Die zweite Priorität hieß Dorle. Sie hatte mir auf meinem AB die unglaublich erfreuliche Nachricht hinterlassen, dass sie zum Kaffee kommen würde, weil sie heute ihre Freundin Gertrud im Katharinenhospital besuchen wollte, die, die das Schlägle ghabt hatte. Wenn es mir nicht passte, sollte ich mich melden. Natürlich passte es mir überhaupt nicht, aber für Dorle war es eine ziemliche Weltreise, von ihrem kleinen unbesiegbaren Dorf nach Stuttgart zu kommen, und ich konnte ihr ja kaum mit der Begründung absagen, dass ich einen unsäglichen Kater hatte. Das hätte Dorle auch sehr erstaunt. Ich rührte normalerweise selten Alkohol an. Nun hatte ich mich schon zwei Tage hintereinander betrunken. Es musste an der Arbeitslosigkeit liegen. Am Ende des Jahres würde ich bei den Obdachlosen unter der Paulinenbrücke wohnen.
    Ich versuchte, im Kopf einen Zeitplan aufzustellen. Dande Dorle kam nur alle Jubeljahre, das hieß, ich musste aufräumen und etwas backen, weil man jemanden wie Dorle nicht mit Kuchen vom Bäcker abspeiste. Leider hatte meine Mutter, die ja aus Russland stammte und nie die Tüchtigkeit einer schwäbischen Hausfrau besessen hatte, vergessen, mir das Backen beizubringen. Ich überlegte also fieberhaft, was ich backen sollte. Da fiel mir ein, dass mir Lila zum Geburtstag eine Muffinform geschenkt hatte, zusammen mit einem Rezeptbuch,
Mühelos Muffins backen für backungewohnte Singles, die normalerweise jeden Kuchen in den Sand setzen
, das war doch jetzt genau richtig. Muffins schmeckten sowieso am besten warm, ich würde nach dem Fotografentermin rasch einkaufen und Dorle dann mit meinen selbst gebackenen Muffins überraschen.
    Ich entschied mich für ein rotes T-Shirt mit etwas tiefergelegtem Ausschnitt, das meinem bleichen Gesicht etwas Farbe verlieh, zog einen dicken Wollpulli darüber und marschierte dann ins Bad, um meine grauen Augenringe mit Make-up zu kaschieren. Nach ein paar Minuten Herumkruschteln fiel mir ein, dass ich noch nie in meinem Leben Make-up besessen hatte. Auf der Suche nach einer Alternative landete ich in der Küche, wo mein Blick auf das Gewürzregal fiel. Curry war zu gelb, aber Muskatnuss mit etwas Mehl vermischt gab einen ganz passablen Make-up-Ersatz ab. Ich benötigte nur etwas Wasser zum Anmischen und musste ein bisschen mit der Muskatnussmenge herumexperimentieren, um meine Gesichtsfarbe zu treffen. Am Ende war ich hochzufrieden. Wenn man nicht zu nahe an mich heranging, würde man niemals merken, dass es ein kostengünstiges und garantiert tierversuchsfreies Gewürz-Make-up war.
    Ich stattete den Schleierschwänzen einen Blitzbesuch ab und versprach ihnen, sie später zu füttern und mich ausführlich mit ihnen zu unterhalten.
    Es war ein sonniger, bitterkalter Wintertag. Ich ließ das Fahrrad stehen, auch um meine Fönfrisur nicht zu ruinieren, und holte mir auf dem Weg zur S-Bahn ein Laugenbrötchen. Ich bewegte mich immer noch deutlich langsamer als sonst, aber wenigstens gehorchten mir meine Füße. Mein Kopf weigerte sich noch immer, über den vorherigen Abend nachzudenken.
    Das Fotostudio lag in einer Seitenstraße in der Nähe des Hauptbahnhofes. Zum Glück hatte mir der Zufall eines mit einer zentralen Lage beschert. Im Schaufenster stand ein riesengroßes Foto einer nackten Schwangeren mit einem riesengroßen Bauch. Ich schluckte. Wenn schwanger sein bedeutete, dass man seine Füße nur noch mit einem Spiegel in der ausgestreckten Hand sehen konnte, dann würde ich gern auf die Fortpflanzung verzichten. Das brachte mich wieder darauf, was wohl am Vorabend geschehen war, und ich stellte die Gedanken ganz schnell wieder ab.
    Die Tür gab ein Scheppern von sich,

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