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Laugenweckle zum Frühstück

Laugenweckle zum Frühstück

Titel: Laugenweckle zum Frühstück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Kabatek
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beherrschen, um nicht mit meinen alten Kochtöpfen eine Percussion-Show hinzulegen. Zwei Stunden durfte ich das Stück Pralinenkonfekt noch bei mir behalten! Morgen würde ich mich anonym beim Schlüsseldienst für diese Großzügigkeit bedanken.
    Während Leon sich bemühte, die Sauerei auf meinem Teppichboden zu beseitigen, entkorkte ich den Prosecco und überprüfte schnell meine Alkoholvorräte. Ich hatte noch einen billigen Chianti, einen ganz annehmbaren Trollinger und eine bisher nicht angerührte Flasche Kirschschnaps von Dorle. Das sollte reichen.
    »Auf das Leben!« sagte ich, als wir mit meinen Senfgläsern anstießen. Ich besaß keine Sektgläser.
    »Auf meine Lebensretterin alias Vladimir Klitschko!« sagte Leon und grinste wieder. Okay, Keira Knightley wäre mir lieber gewesen, aber das war vielleicht ein bisschen zu viel verlangt.
    Einträchtig schaufelten wir das Chili in uns hinein und schwiegen für eine Weile. Dann hielt ich es nicht länger aus. Ich versuchte, ganz beiläufig zu klingen.
    »Und, was hat dich so nach Stuttgart verschlagen? Du klingst ja nicht grade wie ein Schwabe.«
    Lieber Gott, lass ihn nicht sagen, dass er »derliebewegen« nach Stuttgart gezogen war! Bitte lass ihn Opernsänger sein! Oder Schriftsteller! Oder Performance-Künstler! Oder Saxofonist in einer total angesagten Jazzband! Oder wenigstens Fußreflexzonenmasseur! Aber bitte, bitte kein Entwicklungsingenieur bei Bosch! Ich kannte viele Ingenieure, schließlich war mein Vater einer. Sie waren allesamt fantasielos, unromantisch und kurvten in irgendwelchen lächerlichen Jeeps durch die Gegend, die für Off-Road-Strecken in der Kalahari gebaut waren, aber nicht für Stuttgart. Damit fuhren sie dann in Urlaub nach Sylt.
    Leon lächelte. Das war fast noch besser als das Lachen und das Grinsen. »Ich komme aus Hamburg. Ihr habt hier unten einfach mehr Jobs als wir da oben im Norden. Ich bin Entwicklungsingenieur bei Bosch in Schwieberdingen.«
    Peng. Es war einfach zu schön gewesen. Vorbei. Aus der Traum. Disqualifiziert. Nix Künstler. Nix Intellektueller. Abgehakt.
    »Wie nett«, sagte ich lahm. »Schön, wenn man einen soliden Beruf hat, in diesen unsicheren Zeiten.«
    »Ja, nicht wahr«, antwortete Leon und nickte zufrieden. Meine Enttäuschung schien er nicht zu bemerken.
    »Du hast aber viele Bücher«, sagte er und deutete auf meine Ivar-Regale, auf denen sich die Bücher bis unter die Decke stapelten. »Hast du das alles gelesen?«
    Ich nickte. »Das meiste. Ich habe Germanistik studiert. Und du, liest du auch gern?« Junge, das ist deine letzte Chance! Mach jetzt nicht alles kaputt!
    »Klar«, sagte Leon. »Mails, Fernsehzeitschriften, die Heftchen von der Stiftung Warentest und die Homepage des Hamburger SV.« Er grinste und ich war mir nicht ganz sicher, ob er mich auf den Arm nahm.
    »Und vor dem Einschlafen? Liest du da nicht? Ich lese jeden Tag vor dem Einschlafen.«
    »Klar doch. Meistens den
Kicker

    »Dann wirst du dich ja in Stuttgart wohlfühlen. Schließlich haben Klinsi, Schweini & Co. hier die Fußball-WM gewonnen.«
    Leon musterte mich belustigt.
    »Kann es sein, dass du dich nicht besonders für Fußball interessierst?«
    »Kein bisschen, wieso?«
    »Wir haben die Fußball-WM nicht gewonnen.«
    »Ach nein? Da hätte ich jetzt aber drauf schwören können.«
    »Das war 1954, 74 und 90.«
    »Hmm. Irgendwie hat es sich 2006 in Stuttgart aber so angefühlt. Ich war mit meiner Freundin Lila beim
Public Viewing
im Innenhof des
Rocker 33
, das ist so eine Szenekneipe in der Nähe vom Hauptbahnhof. Nach dem Spiel ließen sich unsere siegreichen Jungs am Fenster des Zeppelin-Hotels feiern, auf dem Schlossplatz sang Dieter Thomas Kuhn
Tränen lügen nicht
, wildfremde Menschen lagen sich in den Armen und es war eine wunderbare, riesige Party.«
    »Das war das Spiel um den dritten Platz. In Hamburg haben wir auch gefeiert, mit Video-Übertragung aus Stuttgart. Wir waren ehrlich gesagt überrascht, dass die Schwaben so ausgelassen sein können.«
    Ich nickte zufrieden. »Auch wenn wir nicht gewonnen haben. Stuttgart war in jedem Fall die Königin der Herzen.«
    Das Gespräch stockte. Es war ja auch nicht einfach, ein gemeinsames Thema zu finden, jetzt, wo klar war, dass unser intellektuelles Niveau so unterschiedlich war.
    Leon durchbrach das Schweigen. »Und du? Was machst du so? Jobmäßig, meine ich?«
    Ich räusperte mich. »Ich bin grade zwischen zwei Jobs.« Ich fand, das klang großartig. So, als sei

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