Laura Leander 02 - Laura und das Siegel der Sieben Monde
der nahen Hofeinfahrt zu bemerken. Doch selbst wenn Laura ihre Augen dorthin gerichtet hätte, wäre ihr bestimmt nichts Verdächtiges aufgefallen.
Denn da stand nur ein Schneemann.
Ein mächtiger Schneekoloss mit einem grimmigen Gesicht – der sich plötzlich bewegte.
K apitel 4 Die Wunschgaukler
ls Attila Morduk mit Wurst, Käse und Brot in das Büro des Direktors zurückkehrte, wusste Aurelius nicht nur über Alariks Schicksal Bescheid, sondern hatte seinerseits auch den Knappen mit den Verhältnissen auf Ravenstein vertraut gemacht. Hatte ihm erklärt, dass es auf der Burg noch weitere Wächter gab – ganz gewöhnliche Menschen, die aufgrund ihrer besonderen Fähigkeiten dazu berufen waren, für die Sache des Lichts zu streiten. Wie die Englisch- und Französischlehrerin Miss Mary Morgain zum Beispiel, eine Meisterin im Gedankenlesen, oder den Sportlehrer Percy Valiant, der sich wie kein Zweiter aufs Traumreisen verstand. Und natürlich auch Laura Leander, die im Zeichen der Dreizehn geboren war und deshalb über alle drei der besonderen Wächterfähigkeiten verfügte, zu denen auch die Telekinese gehörte.
An der Stelle hatte Alarik den Professor erstmals unterbrochen und erstaunt gefragt: »Im Zeichen der Dreizehn? Bedeutet das hier auf dem Menschenstern das Gleiche wie bei uns in Aventerra – dass man am dreizehnten Tag des dreizehnten Mondes geboren ist?«
»Ja«, hatte der Professor nur knapp geantwortet und darauf verzichtet, dem Jungen zu erklären, dass es sich bei diesem Tag nach dem irdischen Kalender um den fünften Dezember handelte. Schließlich wollte er Alarik nicht überfordern. Stattdessen hatte er ihn über die Dunklen aufgeklärt, wie die Vertreter der Schwarzen Mächte auf der Erde genannt werden. Nur von Eingeweihten zu erkennen, stellten sie überaus gefährliche und erbitterte Widersacher für die Wächter dar. Angeführt von Dr. Quintus Schwartz, dem Chemie- und Biologielehrer, und nach besten Kräften unterstützt von der Mathe- und Physiklehrerin Rebekka Taxus, versuchten die Dunklen unablässig, den Mächten des Bösen zum Sieg zu verhelfen.
Mit Heißhunger machte Alarik sich über das Essen her und steckte gleich drei große Wurststücke auf einmal in den Mund – was ihm den Tadel des Professors eintrug. »Du brauchst nicht zu schlingen wie ein Wolf«, sagte er, milde lächelnd. »Wir haben genug zu essen. Viel mehr, als du vertragen kannst.«
Auch der Hausmeister feixte grimmig. »Genau, mein Junge«, sagte er. »Lass dir Zeit, sonst bekommst du nur Magendrücken.« Dann wandte er sich an Aurelius Morgenstern. »Was machen wir bloß mit ihm?«
Der Professor zog die Stirn kraus. »Eins steht fest – hier kann er auf keinen Fall bleiben«, antwortete er. »Die Gefahr, dass er von den Dunklen aufgespürt wird, ist viel zu groß. Außerdem: Wenn die Ferien zu Ende sind, wird er über kurz oder lang den Schülern auffallen. Und was dann geschieht, kannst du dir ja vorstellen – oder nicht?«
»Schon, schon«, brummte der Glatzkopf. »Dennoch behagt mir der Gedanke, ihn nicht persönlich zu beaufsichtigen, gar nicht. Wir könnten ihn doch in meiner Hütte unterbringen. Da wäre er gut aufgehoben, weil sich kaum jemand dort hineintraut. Wegen meiner Freunde, Ihr wisst schon.«
Der Direktor schmunzelte. »Das weiß ich sehr wohl. Aber dennoch…« Er schüttelte das graue Haupt. »Schlag es dir aus dem Kopf, Attila. Es ist einfach zu gefährlich.«
»Und wenn wir behaupten, dass er ein neuer Zögling des Internats ist?«
»Unmöglich. Der Junge ist mit unseren Gebräuchen überhaupt nicht vertraut und würde schon in kürzester Zeit Aufsehen erregen.« Mit fragendem Blick wandte er sich an den Blonden, der das Gespräch der Männer aufmerksam verfolgt hatte, während er mit vollen Wangen kaute. »Oder traust du dir zu, dich unter uns wie ein Einheimischer zu bewegen?«
»Tut mir Leid, Herr«, murmelte Alarik betrübt.
Professor Morgenstern lächelte ihn freundlich an. »Du brauchst dich nicht zu schämen«, sagte er mit sanfter Stimme. »Es ist nur natürlich, dass du dich hier nicht auskennst. Uns würde es wahrscheinlich nicht anders ergehen, wenn wir dich in deiner Heimat besuchen würden.«
Ein dankbares Lächeln huschte über das Gesicht des Jungen, bevor er die makellosen Zähne in einen Kanten Brot schlug.
»Warum versuchen wir es nicht wenigstens?« Der Glatzkopf sah den Alten mit bekümmerter Miene an. »Dass wir ihn in fremde Hände geben, will mir gar nicht
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