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Laura Leander 02 - Laura und das Siegel der Sieben Monde

Laura Leander 02 - Laura und das Siegel der Sieben Monde

Titel: Laura Leander 02 - Laura und das Siegel der Sieben Monde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Freund
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selben Moment, um dann – nein, nicht auf den Boden zu fallen, sondern direkt auf sie zuzuzischen. Wie ein Geschwader messerscharfer Eispfeile, die von einem Unsichtbaren in ihre Richtung geschleudert wurden!
     
    »S chneller, ihr verfluchten Bälger! Lauft endlich schneller!« Das bleiche Gesicht des Albinos verzerrte sich zu einer Fratze rasenden Zorns, und seine blutunterlaufenen Augen funkelten. Gleich einem wachsamen Schäferhund umkreiste der o-beinige Mann die Gruppe der Kinder und ließ seine Lederpeitsche auf ihre Rücken niedersausen.
    Wieder und wieder.
    Die Mädchen und Jungen gaben keinen Laut von sich. Gefolgt von vier buntberockten Männern zu Pferde, die dem Wüten des Albinos gelangweilt zusahen, trotteten sie mit ausdruckslosen Gesichtern durch den Steinernen Forst dahin. Es mochten gut zwei Dutzend sein, die zwischen zehn und fünfzehn Sommer zählten. Ihre Kleider waren abgerissen, die Gesichter und die bloßen Füße dreckverkrustet. Bunte Bänder, die um ihre Taillen geschlungen waren, fesselten die Unglücklichen aneinander.
    »Schneller, verdammt noch mal!« Wieder schlug der Albino zu. Die Peitschenhiebe hallten durch den Wald der versteinerten Baumriesen, die sich dem von giftiggelben Dunstschleiern überzogenen Himmel entgegenreckten.
    Endlich gebot einer der Männer der Barbarei Einhalt. Er war von ansehnlicher Gestalt und strahlte Vertrauen aus, woran auch die schwarze Klappe über dem linken Auge nichts ändern konnte. »Lass gut sein, Borrok!«, fuhr er den Albino mit schneidender Stimme an. »Du schlägst sie noch tot – und dann sind sie wertlos für uns!«
    Der Albino ließ die Peitsche sinken, steckte sie in seinen Gürtel zurück, wieselte auf die Gruppe der Männer zu und blieb in respektvollem Abstand zu den Pferden stehen. Sein dümmliches Grinsen entblößte lückenhafte Zahnstummel. »Verzeiht mir, edler Gramar«, sagte er, während er den Kopf mit dem strähnigen weißen Haar senkte. »Euer Abnehmer zahlt nur für einwandfreie Ware, ich weiß. Allerdings habt Ihr doch selbst gesagt, dass wir unser Ziel unbedingt vor Einbruch der Nacht erreichen müssen. Und das schaffen wir nie, wenn die nicht schneller marschieren.«
    »Was bist du nur für ein Dummkopf, Borrok!« Der Anführer der Gruppe schüttelte tadelnd den Kopf und wechselte einen bekümmerten Blick mit den anderen Männern, die gleich ihm in farbenprächtige Gewänder aus edlem Tuch gekleidet waren. Selbst noch im giftigen Licht der verschleierten Sonne schillerten sie in allen Regenbogenfarben. Auf ihren Köpfen saßen rote Turbane. Große Ringe baumelten an ihren Ohren, und Gramar hatte selbst seine Nase mit einem goldenen Ring verziert. »Nimm dich in Acht!«, warnte er den Albino. »Wenn du nicht bald begreifst, dass rohe Gewalt nicht angebracht ist in unserem Geschäft, müssen wir uns einen neuen Treiber suchen – und dich verkaufen wir an die Erzminen, wo du deine Kräfte sinnvoller austoben kannst.« Makellose Zähne blitzten auf in seinem braunen Gesicht, als er in ein herzhaftes Lachen ausbrach, in das seine Begleiter einfielen. Ihre Pferde, prächtige Vollblüter aus den weiten Wüsten von Deshiristan, wieherten, als würden sie die Heiterkeit der Reiter teilen.
    Der Albino schien das Verhalten der Männer nicht deuten zu können. Eine Mischung aus Verwirrtheit und Angst zeichnete seine Miene. »Aber das werdet Ihr doch nicht tun, edler Herr!« Mit seiner dünnen Stimme klang er fast wie ein winselnder Hund. »Ich hab mir doch nichts zuschulden kommen lassen!«
    »Das haben unsere jungen Freunde auch nicht!« Der Mann mit der Augenklappe deutete auf die Kinder. »Sie waren nur so unvorsichtig, uns ihre Wünsche anzuvertrauen. Wir haben sie gerne entgegengenommen und sie durch uns genehme ersetzt. Unsere Schützlinge sind glücklich, seit sie keine eigenen Wünsche mehr haben.«
    Wieder wandte er sich seinen Begleitern zu und ließ ein fröhliches Lachen hören.
    »Verzeiht die Frage, Herr – aber wie habt Ihr das gemacht?«
    »Du meinst, dass sie die eigenen Wünsche aufgegeben und unsere angenommen haben?«
    »Ja, Herr.«
    Gramar warf einen Blick auf die Kinder, die in einiger Entfernung angehalten hatten und mit leeren Gesichtern darauf warteten, dass der Albino sie weiter vorantrieb. »Nichts leichter als das – oder hast du vergessen, dass wir Wunschgaukler sind? Seit undenklichen Zeiten verstehen wir uns auf die hohe Kunst, anderen die passenden Wünsche vorzugaukeln. Die meisten merken schon

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