Laura Leander 02 - Laura und das Siegel der Sieben Monde
in ihrer engsten Umgebung wirklich abspielte.
Scheinbar enttäuscht blickte Pinky dem Mädchen nach, das mit Kaja das Klassenzimmer verließ. Insgeheim freute Rebekka Taxus sich jedoch. Schließlich hatte sie niemals damit gerechnet, dass der Plan von Quintus Schwartz aufgehen würde.
Laura Leander hatte schon verloren.
Laura hatte die Tür zur Mädchentoilette kaum hinter sich geschlossen, als sie Kaja hastig beschwor: »Was immer auch gleich geschehen mag, präg dir eines gut ein, und vergiss es bitte nicht: Wenn ich heute nicht mehr zurückkommen sollte und Percy auch nicht, dann könnt ihr uns in der geheimen Bibliothek im Kloster ›Zum Heiligen Stein‹ finden.«
»Wie? Was? In der geheimen… was?« Kaja war irritiert. Es war ihr anzusehen, dass sie keinen blassen Schimmer hatte, was Laura ihr eigentlich bedeuten wollte.
»Sie liegt direkt unter der Klosterbibliothek«, fuhr Laura fort. »Der Zugang zur Treppe wird von dem Bücherregal verborgen, das rechts hinter dem Ausleihtresen steht. Man kann es aufziehen und –«
»Die Treppe? Welche Treppe denn?«, unterbrach Kaja verwirrt, aber da löste sich die Freundin unvermittelt in Nichts auf. Mit schreckgeweiteten Augen starrte der Rotkopf auf die weiß geflieste Wand. Noch vor einer Sekunde hatte Laura davor gestanden – und war nun spurlos verschwunden. Natürlich hatte Laura ihr längst erklärt, was Traumreisen waren und wie sie funktionierten. Diese wundersame Fähigkeit der Wächter allerdings mit eigenen Augen zu erleben war etwas anderes – und überforderte Kaja entschieden. Die Sinne drohten ihr zu schwinden. Sie musste sich an der Wand abstützen, um nicht zu Boden zu sinken.
Percy Valiant blickte Laura direkt ins Gesicht. »Wach auf«, flehte er und rüttelte sie, um sie aus der Trance zu reißen. »Wenn iisch miisch niischt täusche, bekommen wir endliisch Besuch!«
Das Mädchen blickte sich verwundert um. Es brauchte eine Weile, bis es begriff, dass der Lehrer sie von ihrer Traumreise zurückgeholt hatte und sie sich in dem Geheimarchiv des Klosters befand. Von der Eingangstür her drangen Geräusche an ihr Ohr – so als suche jemand nach einem passenden Schlüssel. Im selben Moment fühlte sie auch schon die Müdigkeit, die sie wie eine Fessel einschnürte. Es war allerdings nicht ganz so schlimm wie bei ihrer ersten Traumreise, als sie sich fast ein ganzes Jahr in der Zeit zurückbewegt hatte. Der Abstecher ins Internat dagegen hatte sich in der Gegenwart abgespielt und nur eine knappe Stunde gedauert. Offensichtlich war der Grad der Erschöpfung, den eine solche Reise nach sich zog, sowohl von ihrer Dauer als auch von der zeitlichen Differenz abhängig, die man dabei überwinden musste. Je länger und weiter man im Traum in die Vergangenheit reiste, desto größer war offenbar der Tribut, den der Körper diesem fantastischen Unternehmen zollen musste.
Laura konnte ein Gähnen nicht unterdrücken und riss den Mund fast so weit auf wie ein schläfriges Nilpferd.
»‘at siisch dein Ausflug wenigstens als erfolgreisch erwiesen?«, erkundigte sich Percy.
Laura strahlte. »Sehr sogar. Es hat super geklappt. Ich glaub, ich hab noch nie so einen guten Physiktest geschrieben wie heute.«
»Iisch gratuliere! ‘at doch Vorteile, wenn man das Traumreisen be’errscht, nest – ce pas?«
»Stimmt«, antwortete Laura mit verschmitztem Lächeln. »Vorausgesetzt, man denkt auch dran!«
Percy wollte schon antworten, aber da wurde die Eingangstür geöffnet, und drei Männer betraten den Raum: Abt Gregor und zwei Unbekannte. Auch wenn diese sich noch nicht vorgestellt hatten, sah Laura ihnen sofort an, dass es Polizisten in Zivil waren.
Dem Abt gingen die Augen über, als er den unterirdischen Saal erblickte. Mit ungläubigem Staunen schaute er sich um und schüttelte immer wieder den Kopf. Percy hatte richtig vermutet: Das verborgene Archiv war dem obersten der Mönche offensichtlich völlig unbekannt. Der ältere der beiden Beamten, ein bulliger, untersetzter Mann mit militärischem Haarschnitt und ergrautem Schnauzbart, trat zu Laura und Percy und beäugte sie misstrauisch. Mit routinierter Geste zog er die Erkennungsmarke aus seinem dunklen Wollmantel und hielt sie Percy entgegen. »Kriminalkommissar Wilhelm Bellheim. Wo ist der Tote?«
»Iisch entbiete I’nen gleischfalls meinen freundliischen Gruß.« Trotz der unüberhörbaren Ironie in Percys Stimme ließ der Schnauzbart keine Gefühlsregung erkennen. »Wenn der ‘err mir bitte
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