Laura Leander - 03 Laura und das Orakel der Silbernen Sphinx
die Schwester grimmig an. »Nachdem du uns so eindrucksvoll deine telekinetischen Fähigkeiten demonstriert hast«, sagte er genervt, »kann ich nun hoffentlich anfangen. Oder wolltest du zuvor noch deine Talente im Gedankenlesen und Traumreisen unter Beweis stellen?«
Grinsend schüttelte Laura den Kopf – sie freute sich diebisch, wenn sie den Bruder auf die Palme brachte! –, und so richtete sich der Junge auf seinem Schreibtischstuhl auf und hob zu einem seiner gefürchteten Vorträge an.
Laura konnte es für gewöhnlich nicht ausstehen, wenn Lukas den neunmalklugen Professor herauskehrte. Deshalb hatte sie auch gezögert, ihn um Hilfe bei der Hausarbeit anzugehen. Die Aussicht, in der Bibliothek stundenlang dicke Lexika und Nachschlagewerke wälzen zu müssen, um sich die benötigten Informationen selbst zu besorgen, hatte sie dann aber doch abgeschreckt und veranlasst, mit Kaja den Bruder aufzusuchen und ihn um Rat zu fragen. Dass sie nun eine gelehrte Vorlesung über sich ergehen lassen mussten, war nur eine gerechte Strafe für die eigene Bequemlichkeit.
»Wie allgemein bekannt sein dürfte«, begann Lukas, »handelt es sich bei der oder dem Sphinx um ein Fabelwe – «
»Wie jetzt?«, unterbrach da Kaja schon und rümpfte die Nase. »Heißt das nun die oder der Sphinx?«
Lukas zog die Augenbrauen hoch. »Wenn du dich bitte gedulden würdest, bis ich dir das in angemessener Weise erläutere!«, sagte er leicht gereizt, um dann in überheblichem Ton fortzufahren: »… um ein Fabeltier, das in der Regel als ein Mischwesen mit Menschenkopf und Löwenkörper dargestellt wird. Die ursprüngliche Heimat des Sphinx ist das Alte Ägypten, wo das Löwe-Mensch-Wesen als Abbild des Königs oder Pharaos galt, weshalb der ägyptische Sphinx auch stets männlich ist.« Er sah Kaja eindringlich an. »Kapiert?«
»Ja, klar«, nuschelte die Rothaarige. »Ist doch nicht so schwer zu verstehen, oder?« Damit griff sie in die Hosentasche und holte einen Schokoriegel hervor. Mit Überschallgeschwindigkeit fetzte sie die Verpackung auf und stopfte sich die Schokolade in den Mund.
»Den wohl beeindruckendsten und bekanntesten Sphinx findet man bei den Pyramiden von Gizeh«, fuhr Lukas fort, »und so ist es wohl kaum verwunderlich, dass sich darum viele Legenden ranken. So war zum Beispiel bereits in der Antike der Historiker Diodor von Sizilien – «
»Hey!«, unterbrach Laura verstimmt. »Sooo genau wollten wir das auch wieder nicht wissen!«
»… Diodor von Sizilien davon überzeugt«, fuhr der blonde Junge ungerührt fort, »dass dort der Ursprung der Götter und die Quelle allen Wissens verborgen sein müsse. Aus unserer Zeit wiederum stammen Vermutungen, wonach unter dem Sphinx geheime Schriften versteckt seien, in denen man Antworten auf sämtliche Fragen zur Entstehung der Welt und die wahre Geschichte der Menschheit finden könne.«
Gespannt beugte Kaja sich vor. »Aber entdeckt hat man diese Schriften nicht?«
»Nein.« Lukas schüttelte den Kopf. »Bis jetzt leider nicht.«
»Was wohl kaum verwunderlich sein dürfte«, kommentierte Laura spitz.
Der Bruder warf ihr einen erstaunten Blick zu. »Wie meinst du das?«
»Ganz einfach – sonst wären sie ja keine geheimen Schriften mehr«, antwortete Laura spöttisch.
Kaja kicherte vergnügt vor sich hin.
Lukas jedoch schien das gar nicht witzig zu finden. »Haha«, knurrte er verstimmt, dozierte dann aber doch weiter: »Im Laufe der Jahrhunderte gelangte der Sphinx über Syrien und Phönizien schließlich nach Griechenland. Auf dieser langen Reise verwandelte er sich in ein geflügeltes Fabelwesen und erhielt nicht nur zwei große, weit ausgebreitete Flügel, sondern auch einen weiblichen Oberkörper und einen Frauenkopf – womit er sein Geschlecht wechselte und weiblich wurde.«
»Das heißt also, dass man in Ägypten der und in Griechenland die Sphinx sagt, richtig?«, wollte Kaja wissen.
»Richtig!« Lukas grinste hämisch. »Na also, geht doch! Für einen Spar-Kiu wie dich ist das gar keine so schlechte Leistung.«
Dieser Lukas!
Laura schnaufte ungehalten. Er konnte es einfach nicht lassen, sich aufzuspielen!
Lukas ließ sich davon nicht stören. »Die berühmteste Sphinx saß nahe der Stadt Theben auf dem Berge Phikion und stellte jedem Passanten ein Rätsel: ›Was geht am Morgen auf vier, am Mittag auf zwei und am Abend auf drei Beinen?‹ Wer falsch antwortete, wurde von ihr erwürgt und verschlungen. Weiß eine von euch zufällig, wie die
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