Laura Leander - 03 Laura und das Orakel der Silbernen Sphinx
weiß ich nicht mehr.«
»Mein Gott, wie schrecklich!«, wiederholte die Frau mit der Hornbrille und blickte die Geschwister unverwandt an. »Das muss ja ganz fürchterlich für euch gewesen sein.«
Lukas nickte gequält. »Schon okay«, sagte er tonlos. »Wir haben uns damit abgefunden.«
Laura spürte ein heißes Brennen in ihrem Inneren. Sie wollte etwas sagen, brachte aber keinen Ton heraus.
»Euer Vater ist also seit einem Jahr verschwunden?«, fuhr Rika da auch schon fort. »Und niemand weiß, wo er sich befindet?«
»Doch, doch«, hob Lukas gerade an, als Laura ihn anstieß. Es war nicht nötig, dass Rika alles erfuhr. Zum einen kannten sie sie ja überhaupt nicht, und zum anderen würde sie ihnen ohnehin nicht glauben.
Natürlich nicht!
Kein Außenstehender würde diese fantastische Geschichte glauben!
Sie warf dem Bruder einen warnenden Blick zu und sagte rasch: »Genau so ist es. Er ist jetzt schon fast eineinhalb Jahre weg. Es war kurz vor dem vorletzten Weihnachtsfest. Seitdem fehlt jede Spur von ihm, und keiner weiß, was mit ihm geschehen ist.«
Natürlich wusste Laura besser als jeder andere, dass das nicht stimmte. Schließlich hatte sie selbst herausgefunden, dass Marius Leander von den Kriegern der Dunklen Mächte nach Aventerra verschleppt worden war und dort gefangen gehalten wurde. Seitdem musste er im Kerker der Dunklen Festung schlimmste Qualen erdulden. Aber das alles ging diese Rika doch nichts an!
»Ähm«, sagte Laura. »Wollten Sie… ähm… Papa nur so besuchen, oder gab es dafür einen besonderen Grund?«
»Nun, ja.« Rika dehnte die Worte, als sei sie sich nicht sicher, was sie den Geschwistern sagen sollte. »Natürlich hatte ich mich auf das Wiedersehen mit Marius gefreut, aber eigentlich wollte ich ihn um einen Rat bitten.«
»Einen Rat?«, wiederholte Laura verwundert. »In welcher Sache denn?«
Wieder legte sich ein verlegenes Lächeln auf das Gesicht der jungen Frau. »Dazu muss ich etwas weiter ausholen. Ich habe ja schon erwähnt, dass ich Archäologin bin. In den letzten Jahren habe ich vornehmlich im Vorderen Orient geforscht. Vor ein paar Monaten bin ich dort auf etwas gestoßen, das euren Vater bestimmt auch interessiert hätte.«
»Sind Sie sicher?« Laura musterte Rika nachdenklich.
»Sehr sogar!«, antwortete die Archäologin, die das steigende Misstrauen der Geschwister entweder nicht spürte oder es schlichtweg ignorierte. »Euer Vater war nämlich der Einzige, der während unserer Studienzeit Interesse für meine Theorien gezeigt hat. Seit meiner Entdeckung in diesem Archiv bin ich fest davon überzeugt, sie endlich auch beweisen zu können.«
»Worum geht es denn bei Ihren Theorien?«, wollte Lukas wissen, offenbar neugierig geworden.
»Um Sigbert, den Drachentöter«, antwortete Rika mit einem schmalen Lächeln.
»Ach, so.« Enttäuschung machte sich breit auf Lukas’ Gesicht. Offensichtlich hatte er Aufregenderes erwartet.
»Ihr kennt die Geschichte?«, fragte die Frau mit der Hornbrille.
»Ja, klar.« Laura lächelte gequält. »Hier in der Gegend und besonders in unserem Internat kennt doch jeder dieses olle Märchen.«
Rika lächelte. »Es ist kein Märchen.«
Laura kniff die Augen zusammen. »Was?«, fragte sie verwundert. »Sie wollen doch nicht etwa behaupten, dass die Geschichte wahr ist?«
»Doch – genau das will ich!« Rika erhob sich von ihrem Stuhl. »Ich bin mir sogar sicher, dass ich schon bald beweisen kann, dass dieser Sigbert wirklich gelebt hat. Und mehr noch: Ich bin fest davon überzeugt, dass es sich bei dem Drachentöter um das reale Vorbild für den sagenhaften Nibelungenhelden Siegfried von Xanten gehandelt hat!«
Albin Ellerking grinste über das breite Knubbelnasengesicht. Seine tiefgrünen Augen funkelten, während er die verrostete Klappe öffnete. Wie gut, dass er diesen alten Kamin entdeckt hatte! Seit dem Einbau der Zentralheizung ragte er funktionslos aus dem roten Ziegeldach der Burg. Nur Attila Morduk war es zu verdanken, dass er rein zufällig herausgefunden hatte, wie überaus nützlich dieser alte Schlot war. Ausgerechnet dem Hausmeister, den er hasste wie die Pest! Weil Morduk einer der Wächter war und auf der Seite des Lichts stand. Und nun hatte ausgerechnet dieser verfluchte Kerl ihm vor einigen Wochen einen unschätzbaren Trumpf in die Hand gespielt!
Ellerking hatte Kletterrosen pflanzen wollen und Rankspaliere benötigt. Obwohl er den Hausmeister auf den Tod nicht ausstehen konnte, hatte er
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