Laura Leander 06 - Laura und das Labyrinth des Lichts
Oheim, kann es nicht erwarten, Euch und Eure Braut endlich in den Mauern von Schloss Tintall willkommen zu heißen!«
Kapitel22 Schreckliche
Aussichten
as monotone Ticken der Wanduhr trieb Lukas langsam, aber sicher in den Wahnsinn. Er musste an sich halten, um nicht aufzuspringen und sie herunterzureißen.
Das war ja nicht zum Aushalten!
Der Junge atmete tief durch, schob die Brille hoch und trommelte mit den Fingern auf die Lehne der harten Bank. Der Hintern tat ihm weh vom langen Sitzen. Er verlagerte das Gewicht auf die andere Pobacke, legte das rechte Bein über das linke und wippte nervös mit dem Fuß. Das Loch in seinem Bauch war mittlerweile so groß, dass bequem ein halbes Dutzend Steaks mitsamt Pommes hineingepasst hätten.
Auch sein Vater Marius schien mächtigen Kohldampf zu haben, jedenfalls knurrte sein Magen wie ein hungriger Wolf. Kein Wunder: Familie Leander saß nun schon eine geschlagene Stunde auf dem öden Krankenhausflur und wartete darauf, zu Professor Sengebusch vorgelassen zu werden, dem Chefarzt der Intensivmedizin. Sie wollten endlich erfahren, wie es um Laura stand.
Seit fast zwei Wochen lag das Mädchen bereits im Krankenhaus und war noch keine Sekunde aus dem tiefen Koma erwacht. Obwohl Laura rund um die Uhr betreut wurde, hatte sich an ihrem Gesundheitszustand nichts geändert, zumindest nicht zum Besseren. Bei jedem der täglichen Besuche an Lauras Krankenbett hatten sich Lukas und seine Eltern nach ihrem Befinden erkundigt. Sie hatten Ärzte und Schwestern regelrecht mit Fragen gelöchert, aber jedes Mal waren sie vertröstet worden. Man bat sie, Geduld zu haben und einfach abzuwarten, bis Professor Dr. Dr. Groetelmeyer seine Untersuchungen abgeschlossen hatte. Danach würde man ihnen selbstverständlich Rede und Antwort stehen.
Heute war es endlich so weit. Der große Moment war gekommen, an dem der weltbekannte Professor ihnen seine Diagnose mitteilen wollte. Genau genommen war dieser Moment längst verstrichen, denn der Termin war vor einer Stunde gewesen. Doch weder Groetelmeyer noch Sengebusch hatten sich bislang sehen lassen.
Also hieß es, weiter warten, nichts als warten. Lukas war mittlerweile speiübel – vor Hunger, vor Aufregung und vor Sorge um Laura. Endlich wurde die Tür geöffnet. Der Chefarzt streckte den Kopf nach draußen und winkte sie herein.
Der berühmte Professor saß hinter dem Schreibtisch, die Arme auf die Ellbogen gestützt, die Hände wie zum Gebet vorm Kinn gefaltet. Als Lukas sein ernstes Gesicht bemerkte, wusste er, dass Professor Dr. Dr. Groetelmeyer keine guten Nachrichten für sie hatte. Eher im Gegenteil …
Sie nahmen auf den Besucherstühlen Platz. Groetelmeyer schien peinlich darauf bedacht, keinem von ihnen in die Augen zu sehen. Vielmehr starrte er auf seine Fingerspitzen, die unablässig gegeneinanderklopften.
»Ich will nicht lange um den heißen Brei herumreden, sondern gleich zur Sache kommen.« Seine Stimme klang heiser, wie bei einem starken Raucher oder Whiskeytrinker. Der Geruch nach Salmiakpastillen, der von ihm ausging, bestärkte Lukas in dieser Vermutung. »Nachdem ich Laura nun über mehrere Tage intensiv beobachtet und sie von Kopf bis Fuß untersucht habe, bleibt mir zu meinem Leidwesen nichts anderes übrig, als unseren großen Dichterfürsten zu zitieren: ›Da steh ich nun, ich armer Tor, und bin so klug als wie zuvor.‹«
Lukas verdrehte genervt die Augen – Mann! Bleib mir bloß mit diesem Faust vom Leibe! Marius Leander sah den Arzt fassungslos an: »Aber … was wollen Sie uns damit sagen?«
»Ganz einfach.« Groetelmeyer legte die Stirn in Falten und zog die Mundwinkel nach unten. »Ich habe nicht die geringste Ahnung, was Ihrer Tochter fehlt. Deshalb kann ich auch meinem verehrten Kollegen Sengebusch …« Er wechselte einen raschen Blick mit dem Chefarzt, der sich offensichtlich ebenso unwohl in seiner Haut fühlte. »… keinerlei Rat zur Therapie geben.«
»Heißt das«, fragte Anna Leander, »dass Sie unserer Tochter nicht helfen können?«
»Ich fürchte, so ist es.« Der hoch gerühmte Professor nickte betroffen und sah den Besuchern zum ersten Mal ins Gesicht. »Ein Fall wie dieser ist mir noch nie untergekommen. Ich muss unumwunden eingestehen, dass ich mit meinem Latein am Ende bin.« Er hob die Arme und ließ sie kraftlos wieder fallen. »Es tut mir leid, aber ich weiß einfach nicht weiter.«
Lukas war wie vom Schlag getroffen. Regungslos saß er da und starrte den Arzt an. Er hatte so
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