Laura, Leo, Luca und ich
Löwenbräu-Zelt, das Armbrustschützen-Zelt und das Augustiner-Zelt. Lauras erster Auftritt auf dem Oktoberfest war dagegen, in einem Wort, kurz. Um 11 Uhr am Vormittag hatte sie die erste Maß bestellt, am Mittag war die Maß leer und Laura voll. Sie nahm sich ein Taxi und hielt gegen die Übelkeit während der gesamten Fahrt den Kopf aus dem Fenster wie ein Hund. Daheim angekommen, schlief sie bis Mitternacht.
Ist es nicht süß, dass es Menschen gibt, die nach einer Maß betrunken werden? In Italien wird ja so gesittet gezecht, dass ich mich immer wieder schuldig fühle, wenn ich mir ein drittes Bier bestelle. Im Italienischen gibt es nicht einmal ein Wort für »Kater«. Wobei ich mir die Anmerkung erlaube, dass das, was die Horden von Italienern am Tag nach einem Oktoberfestbesuch verspüren, für sie vielleicht nicht in Worte zu fassen ist, aber sich doch ziemlich sicher genauso wie ein Kater anfühlt.
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Lernen mit Laura: Verlieren
L aura und ich waren gerade ein paar Wochen zusammen, da erzählte sie mir von ihrer Tenniskarriere. Sie war einst italienische Universitätsmeisterin gewesen und stand sogar mal auf Platz 500 der Weltrangliste. »Großartig!«, rief ich, »lass uns sofort ein Match spielen!« Sie weigerte sich, ein Jahr lang. Schließlich überredete ich sie. Denn ich war mir sicher, dass ich sie schlagen würde. Hey, sie ist 166 Zentimeter groß, ich 186 Zentimeter. Und ich kann 89 Kilo (okay, 92 Kilo) in den Schlag wuchten; mein Body-Mass-Index liegt also, wenn man eineinhalb Augen zudrückt und zudem über ein biegsames Lineal verfügt, noch gerade so in der grünen Kurve. Ich habe mehr Kraft, laufe schneller, habe die längeren Arme. Eine sichere Sache. Dachte ich.
An Männerstammtischen ist es eine gern und ausgiebig diskutierte Frage, wie gut sportliche Frauen im Vergleich gegen uns wären. Könnte der deutsche Frauenfußballmeister gegen eine männliche Bezirksoberligamannschaft gewinnen? Hätte Steffi Graf gegen die Nummer 100 der Männer-Weltrangliste eine Chance |55| gehabt? (Sie selbst antwortete auf diese Frage übrigens einmal, sie hätte sicher nicht einmal die Nummer 1000 geschlagen.) Nun war ich der Auserwählte. Der Mann, der die Chance hatte, jede Kneipendiskussion ein für alle Mal zu beenden. Der Mann, der den Beweis antreten konnte, wie wenig selbst austrainierte Frauen gegen durchschnittlich (oder, in meinem Fall, gar nicht) trainierte Männer ausrichten könnten.
Durch eine Verkettung äußerst unglücklicher Umstände kamen auch noch Leo und Luca, um dem Kampf der Geschlechter zuzusehen. Es war ein heißer Augusttag des Jahres 1997, im Tennis Club Grado brannte die Sonne erbarmungslos auf den roten Sand nieder, um mal ein bisschen Dramatik einzustreuen, und
the battle of the sexes
begann. Mein Gesicht nahm an diesem schwülen italienischen Spätnachmittag fix die Farbe des Bodenbelags an, und die Schlacht endete schneller als ein Neue-Deutsche-Welle-Revival. Laura beantwortete jegliche theoretische Diskussion über Männer, Frauen, Muskeln und Machismo auf ihre Weise und schlug mich kristallklar 6: 0 und 6: 0. Leo und Luca waren entsetzt. Seitdem werde ich, wenn wir am Strand Fußball spielen, immer als Letzter in eines der Teams gewählt.
Wie konnte man so etwas auch ahnen? Die Freundinnen, die ich vor Laura hatte, waren mit Sport so vertraut wie mit der Heisenbergschen Unschärferelation. Klar, sie konnten gut tanzen und so, aber mehr auch nicht. Wenn man mit ihnen im Urlaub am Strand Frisbee spielte, sahen sie sehr interessiert die Wurfscheibe |56| an, die in ihre Nähe geflogen kam. Sie verstanden nicht, dass man den Frisbee
fangen
sowie auch noch
zurückwerfen
musste, um so etwas wie Spielspaß aufkommen zu lassen. Auch beim Beachvolleyball sahen meine Freundinnen alle klasse aus, hatten aber weniger eine spieltaktische als vielmehr eine ornamentale Funktion.
Bevor ich Laura kennen lernte, dachte ich mir, wie schön es mal wäre, eine Frau zu haben, die weiß, wie man einen Ball fängt. Dass es gleich eine wurde, die nicht nur weiß, wie man einen Ball fängt, sondern auch weiß, wie man diesen Ball so hart zurückwirft, dass man nach hinten überkippt, war nicht geplant. Laura guckt nicht nur Fußball, sie spielt sogar mit. Sie ist eine exzellente Skifahrerin und Snowboarderin, kann Windsurfen, hat sämtliche Boots- und Segelführerscheine (theoretisch dürfte sie sogar über den Atlantik segeln) und kam innerhalb eines Jahres auf das
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