Laura, Leo, Luca und ich
Cappuccino bestellen – es sind vielmehr die wissenden Deutschen, die man einst Toskana-Fraktion nannte, die sich über die Tölpel von Landsleuten lustig machen, die so gar nichts von der mediterranen Lebensart verstanden haben und ihr Essen noch mit der geistigen Mistforke zu sich nehmen.
Es ist Zeit für Beweisstück A: meinen Schwager Luca, den Vorzeigeitaliener mit den schwarzen Haaren und den dunkelgrünen Augen und der Lässigkeit, die man nur besitzt, wenn man seit 32 Jahren hier lebt. Der feingeistige, kunstinteressierte und vor allem stilsichere Luca nun bestellt sich zufälligerweise gern nachmittags und sogar abends einen Cappuccino.
Klar, seine italienischen Freunde wundern sich, aber sie schimpfen ihn nicht aus, sie lästern nicht und schon gar nicht verachten sie ihn für seine Wahl. Im Gegenteil: Der eine oder andere aus Lucas Freundeskreis hat auch schon mal die Revolution gewagt. Und seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen hat es ihm sogar geschmeckt.
Einen vernünftigen Grund für die Cappuccino-Weigerung nach dem Frühstück gibt es ja eigentlich auch nicht. Klar, im August in Sizilien dreht sich einem ob des Heißgetränks vielleicht der Magen um, aber warum sollte man an einem kühlen, nebligen Nachmittag im Veneto oder im Piemont keinen Cappuccino trinken? Das von Italienern und Toskanafraktionisten hervorgebrachte Argument, ein Cappuccino »stopfe«, ist |65| nicht stichhaltig, denn wie Italien-Kenner wissen, kommt ein Cappuccino ja nicht in einer dieser Monstertassen daher wie bei Starbucks, sondern in einem Becher, der nicht viel größer ist als eine Teetasse. Das bisschen Milchschaum macht den Bock nicht fett.
In Bayern gibt es ja eine ähnliche Geschichte mit der Weißwurst. Sitzt man in gemütlicher Runde zusammen und bestellt sich, sagen wir, um 13 Uhr eine Weißwurst, dann wird irgendein rotwangiger Bayer am Tisch stoiberhaft den Zeigefinger recken und mit altklugem Gesichtsausdruck referieren, dass aber Weißwürste eigentlich nur bis zum »Zwölfeläuten« erlaubt seien. Gedachte Klammer auf: Er wolle aber mal nicht so sein, trotz der erschreckenden Ignoranz um ihn herum. Klammer zu. Auch dies ist eine Tradition, die in der heutigen Zeit nur noch um ihrer selbst willen existiert, denn die empfindlichen Weißwürste, für die es in früheren Zeiten noch keine Kühlung gab, sollten möglichst vor der wärmenden Mittagssonne verzehrt werden, bevor sie schlecht würden und den Sepp und den Schorsch für den Rest des Tages auf den Donnerbalken verbannten. Das Problem dürfte sich aber seit etwa 50 Jahren auch in der ländlichsten Metzgerei erledigt haben.
Dinge ändern sich. Und Italiener, wenngleich sie in Kunst und Kultur das vielleicht umfassendste Erbe aller europäischen Länder ihr Eigen nennen dürfen, sind die Ersten, die mit unsinnigen Traditionen brechen. Italiener schlagen sich zum Beispiel nicht mit Rechtschreibreformen herum: Das komplizierte »Rhythmus« |66| wurde in Italien radikal eingebürgert und heißt schön und schlicht
ritmo
. »Schnaps« wird zu
sgnape
und »Schnitzel« zu
snizel, shnicel, schnietsel
oder
cotoletta alla milanese
.
So sind es in Sachen Cappuccino vielleicht einmal die Deutschen, die den Italienern etwas Sinnvolles beigebracht und die kulinarische Tradition befruchtet haben. Was man von der
Pizza wurstel e krauti
ja nicht gerade behaupten kann.
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Handle wie eine Frau!
I ch bin ja mehr so der Kumpeltyp. Wenn ich einen Laden betrete, lächle ich, als müsste ich mich für die Störung entschuldigen. Ich bleibe ausgesucht freundlich, und bald bin ich mit dem Verkäufer in ein angeregtes Gespräch verwickelt. Am Schluss kenne ich seine Kinder beim Vornamen, und wir tauschen Adressen aus. Beim Bezahlen klopft er mir lachend auf die Schulter. Selbstverständlich zahle ich den vollen Preis.
Wenn Laura dagegen einen Laden betritt, sinkt die Raumtemperatur um gefühlte fünf Grad. Für Laura ist Einkaufen Business. Wer jemals den
Paten
im Original gesehen hat und weiß, wie tiefgekühlt dort das Wort
Business
ausgesprochen wird, der versteht, was ich meine.
Ihr Einkaufsgeschick hat nicht nur was damit zu tun, dass sie Italienerin ist, sondern auch damit, dass sie eine Frau ist. Frauen können, entgegen landläufiger Meinung, erheblich besser mit Geld umgehen als Männer, weil sie durch jahrelanges Shopping trainiert sind, jeden Trick der Verkäufer kennen und genau wissen, |68| wie sie das maximal Mögliche herausholen können, auch
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