Laura, Leo, Luca und ich
deutschen Freunde. Wie bereits erwähnt, ist er Schiedsrichter, und zwar kein schlechter. Überhaupt sind italienische Schiedsrichter traditionell von hoher Güte, was nicht zuletzt Pierluigi Collina bewies, der Charismatiker mit der Glatze. 1 Leo arbeitet in Pepes Firma mit, die Häuser und Wohnungen baut.
Luca dagegen, schwarz wie Laura, gertenschlank und völlig mediterran, ist der geniale Schlendrian, ein begabter Architekt, der mit zwei Kollegen bereits mit 30 ein eigenes Studio gegründet hat, ein sinnlicher, impulsiver Mensch, der erst nachts richtig aufblüht und in seiner Passion für die Architektur es dennoch schafft, neben dem gut laufenden Büro internationale Workshops zur Innenstadtgestaltung ins Leben zu rufen. Klar, dass Leo schon um 7 Uhr aufsteht und für alle Kaffee kocht, während Luca sich nur mit größter Mühe bis 9 Uhr an seinen Arbeitsplatz schleppt, dafür aber am Wochenende bis zur Mittagssonne kein Licht sieht. Irgendwie klar auch, dass Luca links wählt und Leo rechts. Wobei das italienische politische System es einem nicht einfach macht: Die Linken hatten ja vor Berlusconi die Chance und haben es grandios vermasselt, |51| während die Rechten Berlusconi auch nicht sehr liebten. Jetzt sind wieder die Linken dran. Mal sehen, was sie diesmal anstellen. Der Medienunternehmer mit der bei Niederschrift dieses Buches frisch überstandenen Schönheitsoperation wird im Parteienspektrum übrigens nicht unbedingt als rechts gesehen (er braucht ja auch die Stimme des kleinen Mannes, vor allem des kleinen süditalienischen Mannes) – die Rechte geht in Italien so etwa bei den Neofaschisten los, die inzwischen sogar auch als halbwegs gemäßigt gelten, weil es rechts davon ja immer noch die Lega Nord gibt, die den Süden loswerden will. Ein ziemliches Schlamassel also.
Leo reagierte dennoch ziemlich empfindlich, wenn ich Berlusconi kritisierte und sagte nur einen Namen:
Ellmut Koll
. Während nämlich Silvio Berlusconi noch von keinem Gericht der Welt verurteilt wurde (und man kann wahrlich nicht sagen, dass die Justiz es nicht versucht hätte), ist Helmut Kohl, der Mann, der uns 16 Jahre regierte und, wie er zumindest selber findet, die Einheit überhaupt erst möglich gemacht hat, in der Parteispendenaffäre um Haaresbreite an einer Vorstrafe vorbeigeschrammt. Als Deutscher hat man es da nicht leicht.
Und noch etwas: In der Sendung ›Striscia La Notizia‹, einer ebenso bizarren wie erfolgreichen Comedy, die täglich um 20.30 Uhr im Anschluss an die Hauptnachrichten kommt, wurde und wird sich permanent und schonungslos über Berlusconi lustig gemacht. Natürlich kriegt auch Romano Prodi (Spitzname |52| »Mortadella«) viel ab, aber das beliebteste Thema ist immer noch Berlusconis verzweifelter Kampf gegen den Haarausfall. Gern wird in Superzeitlupe gezeigt, wie die Strähnen, die er quer über den Schädel gekämmt hat, sich beim leisesten Luftzug aufrichten wie Untote. Zufälligerweise gehört der Sender zu Mediaset und damit der Berlusconi-Familie. Man kann sagen, was man will, aber eine Mediendiktatur sieht anders aus. Da sollte einem doch schon eher sauer aufstoßen, wie Monate vor der vorgezogenen Bundestagswahl 2005 Angela Merkel von drei Vierteln der deutschen Presse zur Siegerin hochgeschrieben wurde. Selbst nach ihrem desaströsen Auftritt bei der Fernsehdebatte gegen Gerhard Schröder sprach man allenthalben von einem »ausgeglichenen Duell«, was doch sehr an Monty Pythons berühmte Szene mit dem schwarzen Ritter in ›Ritter der Kokosnuss‹ erinnert, dem zunächst beide Arme, dann beide Beine abgeschlagen werden und der als hilfloser Torso ruft: »Na gut, einigen wir uns auf ein Remis.« (Und wer erinnert sich nicht an die Schlussworte des Torsos: »Du feiger Schweinehund, komm zurück und nimm, was dir zukommt. Ich beiß dir die Beine ab!«).
Abgesehen von Diskussionen über Berlusconi oder moderne Architektur komme ich mit beiden blendend aus. Da ich selbst von einer mitunter chamäleonartigen Anpassungsgabe bin, höre ich mir ebenso gern Theorien über den Auf- und Abstieg des Schiedsrichterwesens an wie über den Auf- und Abstieg des Bauhaus-Stils. Umgekehrt finden es beide nach wie vor |53| interessant, mehr über den Unterschied zwischen Pils, Hellem und Weizen zu erfahren, den ich mir, nachdem ich beim ersten Mal hilflos herumstotterte, selbst herausgoogeln musste.
Leo ist inzwischen ein veritabler München-Kenner geworden. Er kennt das Hofbräu-Zelt, das
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