Laura und das Labyrinth des Lichts
keinerlei Gefahr. Immerhin wird sie erst in dreizehn Jahren in den Kreis der Wächter aufgenommen, und erst dann lernt sie ihre besonderen Kräfte zu meistern. Bis dahin ergibt sich bestimmt die eine oder andere Gelegenheit, um das Balg ohne große Probleme aus dem Weg zu räumen.«
»Genau«, pflichtete Pinky ihm hastig bei. »Sselbsst wenn wir Laura ersst am Tag vor ihrem dreizsehnten Geburtsstag erledigen, kann ssie uns nicht gefährlich werden.«
»Das mag ja stimmen«, erwiderte der Großmeister. »Aber ihr scheint dabei das Wichtigste zu vergessen: Im Moment geht es gar nicht um diese Laura, sondern um das unbekannte Mädchen mit den blonden Haaren. Wenn es sich tatsächlich um das Kind aus dem Orakeltraum des Fhurhurs handelt, könnte es unseren Untergang bedeuten. Darüber sollten wir uns schleunigst Gewissheit verschaffen – findet ihr nicht auch?« Auffordernd blickte er in die Runde.
»Natürlich!« Sally stimmte ihm auf Anhieb zu.
Dr. Schwartz und der Taxus standen die Zweifel deutlich im Gesicht geschrieben, aber schließlich stimmten sie ebenfalls zu. Zumal der Nachtalb sich längst breit grinsend auf Sallys Seite geschlagen hatte.
»Gut.« Der Großmeister nickte. »Dann soll es geschehen. Wir sehen uns an Beltane wieder, am vertrauten Ort und zur gewohnten Stunde.«
Damit war das Treffen beendet. Pinky Taxus, Dr. Schwartz und Albin Ellerking verabschiedeten sich. Während der Hausherr sie nach draußen begleitete, blieb die andere Frau allein im Wohnzimmer zurück. Sie schien sich bestens auszukennen, denn sie ging zielstrebig zur Schrankwand und öffnete die Tür zum Barfach. Dann holte sie eine Flasche Whiskey daraus hervor, griff sich ein Glas und goss es bis zur Hälfte voll. Nach einem ordentlichen Schluck drehte sie sich zum Fenster um, sodass Laura endlich ihr Gesicht sehen konnte.
Sie erschauderte. Ihr Magen rumorte und Übelkeit überkam sie. Schlagartig wurde die verschüttete Erinnerung freigelegt: Von wegen »Sally« – die brünette Frau mit dem etwas zu dick aufgetragenen Make-up im Gesicht war zweifelsohne …
Sayelle Rüchlin!
Die falsche Schlange, die sich als Lauras Stiefmutter in ihr Leben geschlichen hatte!
Laura fühlte ein Würgen im Hals. Wie gemein diese Dunklen doch waren! Wenn es um ihren Vorteil ging, schreckten sie vor nichts zurück, nicht einmal davor, jemandem Gefühle oder gar Liebe vorzuheucheln! Ein banger Gedanke stieg in ihr auf: Waren diese Wesen, die weder ein Gewissen noch Skrupel kannten, überhaupt zu besiegen?
In diesem Augenblick vernahm Laura ein wütendes Fauchen hinter sich. Gleichzeitig stach ihr entsetzliche Kälte wie ein eisiges Schwert in den Rücken. Zu Tode erschrocken fuhr sie herum.
Nur drei Meter von ihr entfernt stand das Mädchen von der Fußgängerampel. Ganz in Schwarz gekleidet, musterte es Laura mit hasserfülltem Blick.
Laura erschauderte beim Anblick der unheimlichen Gestalt.
War das vielleicht dieses Kind des Dunklen Blutes, von dem Longolius gesprochen hatte? Aber wie kam es so plötzlich auf den Balkon?
Als das Mädchen den Mund öffnete, erkannte Laura, dass seine Zähne schwarzen Stummeln glichen. »Gib auf, Laura!«, zischte die Schattengestalt heiser. »Das ist die einzige Chance, dein Leben zu retten.«
»We-We-Wer bist du?«, stammelte Laura. »Und wie kommt es, dass du mich kennst?«
Die Kleine legte den Kopf in den Nacken und stieß höhnisch die Luft aus. »Welch törichte Frage!«, sagte sie dann. »Ich kenne dich schon lange, und mindestens genauso gut wie du dich selbst!«
»Was willst du von mir?«
Ein teuflisches Grinsen verzerrte das fahle Gesicht zu einer Fratze. »Das habe ich bereits gesagt«, fauchte sie. »Ich will dich warnen und vor einer großen Dummheit bewahren. Gib auf, Laura, sonst wirst du sterben!«
Obwohl Laura immer noch unkontrolliert zitterte, nahm sie all ihren Mut zusammen. »Niemals!«, rief sie der Schattengestalt entgegen. »Nur wer aufgibt, hat schon verloren!«
»Was du nicht sagst!« Ein fieses Grinsen begleitete die Erwiderung. »Und wer nicht anfängt, wird nicht fertig, war es nicht so?«
»Ähm«, stammelte Laura verdattert. Woher kannte die mysteriöse Gestalt den Lieblingsspruch von Oma Lena?
»Deshalb wird es auch höchste Zeit«, fuhr das bleiche Mädchen fort, »dass du endlich anfängst, Vernunft anzunehmen. Denn sonst …«
Laura kniff angstvoll die Augen zusammen. »Ja?«
»Sonst ist dein Schicksal besiegelt – und du wirst sterben!« Erneut warf das
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