Laura und das Labyrinth des Lichts
Idee: Das Ohr an die Scheibe legen war viel zu gefährlich! Dazu hätte sie den Schutz der Dunkelheit verlassen und sich direkt vors Fenster stellen müssen. Dann würde ein Blick nach draußen genügen, um sie zu entdecken. Natürlich konnte Auriel jederzeit mit ihr in Sicherheit fliegen, aber dann wären die Dunklen gewarnt.
Nein, so ging es einfach nicht!
Unwillkürlich schüttelte Laura den Kopf. Schon wollte sie sich mit dem bloßen Beobachten zufriedengeben, als ihr mit einem Male eine Eingebung kam.
»Ich Spar-Kiu!«, schimpfte sie mit sich selbst.
Natürlich!
Darauf hätte sie gleich kommen können!
A ls Beolor mit Syrin in die Schmiedehöhle trat, stand sein Gehilfe Braamir gerade am Amboss. Er ließ den Hammer auf ein glühendes Stück Eisen niederdonnern, das, der Form nach zu urteilen, wohl ein Schwert werden sollte. Der Lärm hallte von den Wänden der Höhle wider und übertönte jedes andere Geräusch. So gewahrte Braamir seinen Meister erst, als der unmittelbar vor ihm stand und ihm ein Handzeichen gab.
Überrascht ließ der Geselle den Hammer sinken. »Ja, Meister?«
Beolor deutete zu den Wasserbottichen. »Lauf zum See und hol neues Wasser.«
»Aber Meister.« Braamir klappte die Kinnlade herab. »Es ist noch genügend Wasser da. Außerdem habt Ihr mich vorhin erst zur Eile gemahnt. Weil Kroloff und seine Männer unbedingt schärfere Schwert…«
»Du sollst Wasser holen!«, fuhr der Herr der Dunkelalben ihn an. Seine Augen funkelten bedrohlich. »Und zwar auf der Stelle!«
Endlich schien der Gehilfe verstanden zu haben. »Ja, ja, natürlich«, sagte er rasch. Er legte den Hammer zur Seite und tauchte das immer noch glühende Eisen in den Kühlbottich. Es zischte und eine Dampfwolke stieg auf. Dann legte Braamir das unfertige Stück in die Glut der Esse, nahm zwei Wassereimer und trollte sich zum Ausgang der Höhle.
Beolor blickte ihm finster hinterdrein und wartete, bis er verschwunden war. Daraufhin trat er an die Wand und ergriff einen dort befestigten Eisenring. Als der Dunkelalb daran zog, schwang der schwere Amboss lautlos zur Seite, und eine Vertiefung im Boden wurde sichtbar.
Syrin, die die Auseinandersetzung zwischen Meister und Gehilfe mit spöttischem Ausdruck verfolgt hatte, staunte. Sie machte einen Schritt vorwärts und beobachtete mit großen Augen, wie der Schmied neben seinem Geheimversteck niederkniete und einen länglichen Gegenstand herausholte, der in ein schmutziges Wolltuch eingewickelt war. Als handele es sich um ein kostbares Schmuckstück, trug Beolor es vorsichtig zu einem Holztisch auf der anderen Seite der Schmiedehöhle, legte es darauf nieder und schlug das Tuch zur Seite. Ein mächtiges Schwert kam zum Vorschein. Das Flammenlicht der Esse spiegelte sich auf der Scheide und ließ den prächtigen Griff gleißen.
»Dieser Anblick ist immer wieder unglaublich!«, hauchte Syrin tief beeindruckt. »Obwohl ich das Schwert schon mehrere Male gesehen habe, kann ich immer noch nicht fassen, wie groß die Ähnlichkeit ist.«
»Nicht wahr?« Es war beileibe nicht das erste Lob, das Beolor für seine Schmiedekunst erntete. Und dennoch: Die Anerkennung, noch dazu aus dem Mund von Syrin, tat ihm gut. Zum ersten Mal war er überzeugt davon, richtig gehandelt zu haben, indem er den Vorschlag der Gestaltwandlerin angenommen hatte. Zumal sein Vetter Kroloff und alle übrigen Wolfsköpfigen davon auf Anhieb begeistert gewesen waren. Keine Frage – dieser Plan musste sie zum Sieg führen!
Mit zufriedenem Grunzen griff der Herr der Dunkelalben sich das Schwert, wog es in der rechten Hand und ließ es durch die Luft sausen. Die glänzende Schneide zuckte wie ein funkelnder Blitz vor den Augen der Gestaltwandlerin hin und her. »Ihr habt völlig Recht, Syrin.« Das siegessichere Leuchten von Beolors Gesicht war selbst durch die dicke Rußschicht wahrzunehmen. »Niemand wird den Unterschied erkennen. Deshalb wird unser Plan diesmal ganz bestimmt von Erfolg gekrönt sein.«
W ie gebannt starrte Laura auf den Fensterhebel, der sich, gelenkt von ihren telekinetischen Kräften, Millimeter um Millimeter bewegte. Gehorche mir!, befahl sie ihm mit unsichtbaren Gedankenströmen. Füge dich der Kraft des Lichts!
Tatsächlich: Mit winzigen Rucken öffnete sich der Riegel immer weiter, unbemerkt von der Gruppe im Zimmer. Auriel behielt die Dunklen ständig im Auge, um Laura beim geringsten Anzeichen einer Gefahr warnen zu können. Doch zum Glück ging alles gut, und in weniger
Weitere Kostenlose Bücher