Laura - Venezianisches Maskenspiel
des Senates und des Rates der Zehn, jener mächtigen Instanz, sprechen. Die Urteile des Rates und die letzten haarsträubenden Gesetze interessierten Domenico – sofern er nicht davon betroffen war – nur marginal. Besonders in diesem Moment, wo ihm ganz andere, wesentlichere Dinge durch den Kopf gingen. Laura zum Beispiel.
Seine Frau hatte während der Messe kein Wort zu ihm gesagt, war nur still neben ihm gestanden und hatte zu Boden geblickt. Und er hatte den gesamten Gottesdienst hindurch an nichts anderes denken können, als an Ottavio und die Szene in ihrem Ankleideraum, als der sich vertraulich über Laura gebeugt hatte, und sie es mit einem entrückten Lächeln hatte geschehen lassen. Und daran, wie unverschämt Ottavio es dann noch gewagt hatte, ihr vor seinen Augen die Hand zu küssen!
Er hatte es sogar noch gewagt, ihr vor der Kirche aufzulauern, wo er am Eingang nach ihr Ausschau hielt – wohl in der Hoffnung, sie käme in Begleitung ihres cicisbeos Patrizio und nicht in der ihres Gatten. Domenico hatte jedoch mit einer gewissen Zufriedenheit bemerkt, dass seine Drohung nicht auf taube Ohren gestoßen war. Ottavio hatte sich bei seinem finsteren Blick sofort auf die andere Seite begeben, war in der Menge – die sich zur Karnevalszeit hier noch heftiger drängte als sonst – untergetaucht und nicht mehr gesehen worden. Es war wohl nicht falsch gewesen, ihn freundlich darauf hinzuweisen, dass er ihn das nächste Mal die Treppe hinunterstoßen und anschließend im Kanal ersäufen würde, sollte er es wieder wagen, seiner Frau auf diese Art Avancen zu machen. Verdient hätte er dieses Schicksal ohnehin schon lange. Zumindest seit jenem Abend im Palazzo Pisani, wo er es gewagt hatte, Laura zu küssen. Dazu kam noch die Frechheit, seiner Frau geschmacklose Geschenke zu machen! Die Erinnerung daran stieg mit einem so plötzlichen Aufwallen von Ärger und Eifersucht in Domenico hoch, dass er Mühe hatte, durchzuatmen, während er Paolo einsilbige Antworten gab.
Laura war ebenfalls nicht sehr gesprächig. Sie hatte Paolo zwar freundlich begrüßt, war dann aber wieder in jene Schweigsamkeit zurückgefallen, die sie nach ihrer Hochzeit ihm gegenüber zur Schau getragen und gottlob in den vergangenen Wochen abgelegt hatte. Und nun stand sie schon seit Minuten still neben ihm, blickte nur seltsam verträumt um sich, beobachtete das sich auf dem Platz drängende Volk, sah zu den auf der Galerie der Kirche stehenden Bronzepferden hinauf und betrachtete dann wiederum das Pflaster des Platzes, dessen Muster seit der neuen Bepflasterung vor über dreißig Jahren aus dunklen und hellen Steinen gebildet wurde. Ein ganz annehmbares Muster, fand er, wenn er auch nicht ganz begriff, was Laura daran so übermäßig faszinieren mochte.
Paolo unterbrach plötzlich sein Gespräch und verneigte sich leicht vor Laura.
„Verzeiht, wenn wir Euch langweilen, Laura. Es ist äußerst unhöflich von uns, uns über Politik und wirtschaftliche Belange zu unterhalten, anstatt mit Euch über Dinge zu sprechen, die Euch weit mehr interessieren müssen.“ Er lächelte sie mit jener Wärme an, die ihm schon die Herzen vieler Menschen geöffnet hatte. Da jedoch nicht die leiseste Tändelei darin lag, konnte Domenico der Wirkung auf Laura mit Ruhe entgegensehen. Außerdem wusste er mit einiger Sicherheit, dass Paolos eigenes Herz schon anderweitig vergeben war.
Laura hob den Blick und erwiderte das Lächeln, bevor sie ihren Blick über den Platz schweifen ließ. In Venedig herrschte seit Oktober Karneval, aber seit er am 26. Dezember durch einen der Diener des Rates auch offiziell eröffnet worden war, drängten sich hier die Marktbuden, Marionettentheater, Zauberer, Artisten und Schaulustigen. Laura liebte den Trubel, der ihr die schöne Umgebung noch reizvoller machte. „Aber ich langweile mich nicht im Mindesten. Wie wäre das auch möglich unter all diesen Leuten und auf diesem Platz.“ Sie wandte sich Domenico zu, der trotz aller Eifersucht erleichtert feststellte, dass sie ihm offenbar sein etwas harsches Benehmen zuvor nicht übel genommen hatte.
„Wunderbar ist es hier. Es tut mir immer noch leid um all die Jahre, die ich im Kloster auf dem Festland verbracht habe – abgeschirmt von den Schönheiten dieser Welt. Ist es anderswo auch so schön wie hier?“, richtete sie dann die Frage an Paolo.
„Nein.“ Paolos Antwort kam ohne Zögern. „Wäre es anderswo so schön, würden nicht Fürsten, Künstler und Gelehrte aus
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