Laura - Venezianisches Maskenspiel
wollte selbst ihre Gegenwart genießen und gleichzeitig mehr über ihre Beziehung zu Ottavio erfahren. Dass dieser in Laura verliebt war, war nicht zu übersehen, und er argwöhnte wohl zu Recht, dass sein Bemühen um sie noch mehr beinhaltete als den richtigen Ort für ein unschuldiges Schönheitspflästerchen zu finden.
„Dein Freund Paolo scheint ein kluger Mann zu sein“, sagte Laura, als er sie hinter seinem Diener Enrico, der auch zugleich einer seiner Gondolieri war, durch die Menge führte. Sie schien diesen Trubel zu genießen – er jedoch hasste es, sich durch die Leute zu drängen, und hätte es viel eher vorgezogen, mit ihr jetzt an einem einsamen Ort zu sein.
„Ja, das ist er. Und dabei in vielerlei Hinsicht auch ebenso unklug. Er macht sich Feinde.“
„Feinde?“ Laura sah ihn groß an.
„Ja, die wenigsten Adeligen mögen es, wenn man ihnen einen Spiegel vorhält, der sie nicht so edel zeigt, wie sie erscheinen wollen – oder der an ihren Privilegien kratzt. Er wäre nicht der Erste, der unter Hausarrest gestellt würde oder in den Bleikammern landet.“ Er hatte verärgert gesprochen und sah erstaunt zu Laura hinunter, als er ihren festen Griff auf seinem Unterarm fühlte.
„Tust du das auch? Machst du dir auch Feinde?“
„Nein.“ Er nutzte die Gelegenheit, seine Hand auf ihre zu legen. Wie gut sie sich anfühlte, zart und doch kräftig, lebendig unter seinem Griff.
„Aber du hast doch soeben gesagt, dass du vor dem Senat gesprochen hast und ...“
„Nicht vor dem Senat, dort komme ich nicht hin. Nein, vor der großen Versammlung, dem großen Rat – wo aber ohnehin kaum jemand zuhört, sondern nur alle darauf warten, dass sie wieder den Saal verlassen und ihren Vergnügungen oder Geschäften nachgehen können.“ Er drückte ihre Hand.
„Aber nun lass uns über andere Dinge sprechen. Ich habe mir zum Beispiel sagen lassen, dass du ziemlich oft hier im Dom zu finden bist“, sagte er leichthin, so als würde er einen Scherz machen, „und hatte fast schon angenommen, dass es ein heimlicher Geliebter ist, der dich hier anzieht.“ Er blickte ihr bei diesen Worten scharf ins Gesicht. Sie trug ihre Maske in der Hand, und er konnte ihr Mienenspiel genau beobachten.
Laura sah ihn bei seinen Worten nur überrascht an und blieb unwillkürlich stehen. „Aber nein!“, rief sie dann lachend aus. „Ich muss allerdings zugeben“, fügte sie dann mit einem Anflug von Verlegenheit hinzu, „dass ich nicht allein der Andacht wegen hier in die Kirche komme.“
Domenicos Blick verschärfte sich. „Sondern?“ Vor seinem geistigen Auge sah er hinter jeder Säule und in jeder Nische Scharen unbekannter Verehrer lauern, allen voran Ottavio.
Lauras Lächeln war offen und arglos. „Des Bodens wegen. Wegen der wunderschönen Mosaike auf dem Boden, auf denen die anderen Leute nur achtlos herumtrampeln.“
Domenico starrte sie verständnislos an. „Da sind Mosaike? Ich dachte nur oben an der Decke und an den Wänden.“
Sie verzog indigniert den Mund. „Du bist eben auch nur der typische arrogante Patrizier, Domenico. Du magst dich vielleicht über die anderen amüsieren, sie tadeln, aber im Grunde siehst du hochmütig wie all die anderen über alles, was wirklich schön und von Bedeutung ist, hinweg.“
Ihr Gatte rang zum zweiten Mal innerhalb einer Stunde nach Atem. „Wie war das?“
„Ich sehe keinen Grund, es zu wiederholen“, erwiderte sie freundlich. Domenico starrte sie sekundenlang schweigend an, dann machte er auf dem Absatz kehrt und strebte mit seinen typischen energischen und langen Schritten wieder der Kirche zu. Sein dunkler Umhang wehte hinter ihm her, er hatte seinen Dreispitz abgenommen, trug ihn in der Hand und sein schwarzes Haar glänzte in der kalten Wintersonne. Laura überwand ihre Verblüffung und lief ihm, Enrico im Gefolge, nach. Was hatte er denn jetzt wieder? Ihr Gatte war wirklich der launenhafteste Mann, der ihr jemals begegnet war!
Die Leute in der Kirche hatten sich schon verlaufen, nur noch einige wenige standen in kleinen Gruppen beisammen. Domenico ging langsam im Dom herum. Bunte Mosaike – komplizierte Muster – Tiere – geometrische Formen. Weshalb war ihm das noch nie zuvor aufgefallen? Nun, er war noch nicht oft hier in der Kirche gewesen, nur bei öffentlichen Veranstaltungen, zumeist den Prozessionen des Dogen, deren unzählige im Jahr stattfanden. Aber da hatte er mehr oder weniger gelangweilt ins Leere gestarrt – oder die Leute
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