Laura - Venezianisches Maskenspiel
einige neue Kleider anmessen lassen – womit er versucht hatte, diesen ersten, wütenden Einfall in ihre Garderobe wiedergutzumachen. Er konnte jetzt nicht abreisen und ihr diese Freude nehmen, nicht ausgerechnet jetzt, wo er bemerkt hatte, dass sie sich ihm gegenüber veränderte.
Vom Salon her klang Sofias glockenhelles Lachen und er schloss gequält die Augen. Bis zum Ende des Karnevals würde er allerdings wohl noch viele Ave- Marias und eine gehörige Portion Glück benötigen.
* * *
Eine Woche später hatten sich Domenicos Probleme immer noch nicht gelöst. Er hatte sich – wie so oft in den vergangenen Tagen – in sein Arbeitszimmer zurückgezogen, saß über seine Bücher gebeugt und versuchte, sich von Sofia und viel mehr noch von Laura abzulenken. Obwohl er die Tür geschlossen hatte, konnte er von Zeit zu Zeit Sofias Zwitschern hören, das durchs Haus klang. Sie schien überall zu sein, jagte die Bediensteten und am meisten ihre Zofe herum, war einmal im Hof, dann ganz nahe vor seiner Tür und dann wieder kaum hörbar. Er hatte versucht, mit ihr zu sprechen, hatte ihr klar machen wollen, dass sie abreisen sollte, da er gedachte, seiner Frau in Zukunft ein besserer Gatte als bisher zu sein. Er hatte zwar nichts von seiner wachsenden Leidenschaft zu Laura gesagt, das wäre Sofia gegenüber äußerst unklug gewesen, aber er hatte versucht, überzeugend zu sein, sich bei ihr entschuldigt und ein kostbares Abschiedsgeschenk versprochen. Sein Gewissen der jungen Frau gegenüber war nicht gerade rein. Sie hatte sich ihm zwar an den Hals geworfen, aber immerhin hatte er sie auch nicht gerade weggestoßen, und ihre Beziehung hatte etliche Wochen gedauert.
Sie hatte ihm zugehört, ein bisschen geweint, ihn angeklagt und war dann überraschend verständnisvoll gewesen. Als er sie jedoch gebeten hatte das Haus zu verlassen, war sie ihm ausgewichen. Und ihm war klar geworden, dass Sofia sich nicht so einfach zur Seite schieben lassen würde. Nicht ohne einen Skandal.
Mit einem nicht zu unterdrückenden Seufzen wandte er sich wieder den endlosen Zahlenreihen in seinem Geschäftsbuch zu. Sein Großvater hatte auf großem Fuß gelebt und hatte seinem Sohn, als er im letzten Krieg gegen die Türkei gefallen war, wo er als einer der Admiräle mehrere Schiffe kommandiert hatte, hauptsächlich Schulden vererbt. Domenicos Vater, von weniger abenteuerlicher und mehr kränklicher Natur, war ein weitaus besserer Kaufmann gewesen als seine Vorfahren und hatte es geschafft, die Schulden zu begleichen und seinem einzigen Sohn, Domenico, ein kleines, hauptsächlich in Landbesitz angelegtes Vermögen zu vererben.
Domenico, der zwar früher schnell mit dem Degen gewesen war und sich auf so manche Eskapade eingelassen hatte, war nach dem frühen Tode seines Vaters zur Meinung gelangt, dass es besser wäre, seine Kräfte nicht für Abenteuer, sondern für geschäftliche Dinge zu verbrauchen. Er hatte begonnen, kleine Teile seiner Landgüter zu verkaufen, um damit Teilhaberschaften bei den Manufakturen auf dem Festland zu erwerben. Sein Instinkt hatte ihn nicht getrogen, und bald schon konnte er sich an einem hübschen Zuwachs seines Vermögens erfreuen. Viele der alteingesessenen, von ihrer edlen Herkunft überzeugten Patrizier hätten es wohl belächelt, hätten sie gewusst, dass einer von ihnen seinen doch manchmal recht aufwändigen Lebensstil durch die Herstellung und dem Verkauf von Wachs, Glaswaren und Seide bestritt. Aber damit hatte er nicht nur die früher verkauften Ländereien wieder zurückerworben, sondern auch noch zusätzliche dazugekauft und seinen Lieblingslandsitz, der stromaufwärts an der Brenta lag, weiter ausgebaut. Er hatte ihn dazu bestimmt gehabt, einmal seine Familie zu beherbergen, seine Frau und seine Kinder, während er ungestört seinen Geschäften und seinen Vergnügungen nachgehen konnte. Aber wenn er jetzt daran dachte, dann sah er sich selbst dort, gemeinsam mit Laura. Laura, wie sie mit offenem Haar und in einem einfachen Kleid mit nackten Füßen durch das hohe Gras lief. Laura, wie er sie gegen den Stamm eines alten Olivenbaumes presste und küsste, bis sie beide atemlos waren. Laura, nackt in seinem Bett, der Blick verhangen vor Lust und vor Liebe zu ihm, mit Lippen, die von seinen Küssen rot und geschwollen waren, auf ihrer weißen Haut die Male seiner saugenden Lippen.
Laura. Immer und überall nur Laura. Er hatte sie in dieser Woche nur einmal als Cavaliere gesehen, einige sehr
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