Laura - Venezianisches Maskenspiel
Wand und wog das Paket in den Händen. „Ist das denn nicht zu schwer für Euch, Laura? Es wäre mir eine Freude, diese Erledigung für Euch zu machen oder Euch dabei zu begleiten.“ Er vermied wohlweislich Domenicos Blick. Jetzt, vor Sofia und Laura, würde sein Vetter wohl nicht gleich handgreiflich werden, auch wenn er ihm sonst nicht über den Weg traute. Außerdem konnte er sich gerade vor Laura nicht die Blöße geben, Angst vor Domenico zu zeigen. Er hatte wieder ein längeres Gespräch mit Sofia gehabt und hatte von ihr einiges erfahren, das ihn vermuten ließ, dass er bald am Ziel war. Er wusste nicht genau, was Sofia plante, aber dass sie fest entschlossen war, Domenico von Laura zu trennen und für sich zu gewinnen, war offensichtlich. Und dann war seine Stunde gekommen, um als Retter aufzutreten und die traurige, verlassene Gattin in seine Arme zu schließen.
„Ich will Euch nicht bemühen.“
Noch schien sie widerspenstig zu sein, aber das mochte auch an einer gewissen Angst vor ihrem unwirschen Gatten liegen, dessen Augen mit jeder Minute wütender und schmäler wurden.
„Kein Dienst für Euch wäre ein Bemühen“, erwiderte Ottavio galant. „Da ich mich ohnehin schon verabschieden wollte, könnte ich Euch in meiner Gondel ...“ Domenico stand schon längst die Zornesröte auf der Stirn. „Du kommst zu spät mit deinem Vorschlag, Ottavio. Ich werde Laura begleiten – wir hatten soeben darüber gesprochen.“ Er riss Ottavio das Paket aus der Hand und ergriff Lauras Arm. Um nichts in der Welt hätte er zugelassen, dass ausgerechnet sein Vetter Laura einen Gefallen erwies und seine sinnlichen Pläne mit seiner Gattin störte.
„Domenico?“
Er wandte sich nach seiner Mutter um, die soeben aus einem der Zimmer trat. Ihr immer noch hübsches Gesicht unter dem ungepuderten, natürlich grauen Haar, wirkte angespannt. „Was kann ich für dich tun, Mutter?“
„Es ... gibt da ein Problem mit den Dienstboten. Vielleicht hättest du ein wenig Zeit? Nur einige Minuten? Es tut mir leid, wenn ich dich aufhalte, aber ...“
„Nun, ich ...“ Er wollte schon ablehnen und seine Mutter auf später vertrösten, da ihm die Gegenwart seiner Frau reizvoller erschien als Ärger mit einem Dienstmädchen, aber dann fiel sein Blick auf Laura. Sie sah ihn drängend an, eine stumme Bitte, der er sich nicht entziehen konnte. Er wusste, wie sehr Laura an seiner Mutter hing und diese an ihr. Das war offensichtlich durch die liebevolle Art, wie sie einander behandelten und auch durch die Briefe seiner Mutter, die immer voll des Lobes für ihre Schwiegertochter gewesen waren. Bevor er heimgekehrt war, hatte er angenommen, dass dies ein geschickter Schachzug seiner Mutter war, ihm seine Frau schmackhaft zu machen, aber in der Zwischenzeit hatte er festgestellt, dass die beiden Frauen tatsächlich eine große Zuneigung verband. Überraschend war allerdings die Genugtuung gewesen, die er bei dieser Erkenntnis empfunden hatte. Aber es war schließlich nicht die einzige Überraschung gewesen, die ihm seine eigenen Gefühle in den letzten Wochen beschert hatten.
„Du hältst mich nicht auf.“ Seine Stimme war nicht höflich und zuvorkommend wie früher, wenn er mit seiner Mutter sprach, sondern eine Wärme klang mit, die er sonst nie gezeigt und auch lange nicht mehr empfunden hatte. Seine neue Neigung zu Laura hatte ihm wahrhaftig mehr eröffnet als nur verwirrende Gefühle für seine Frau. Sie hatte ihn damit vermutlich auch verletzbarer gemacht, aber darüber wollte er im Moment nicht nachdenken, sondern nur genießen, was Lauras Lächeln, ihre Gegenwart, ihr Körper in ihm auslöste. Er räusperte sich. „Laura, meine Liebe, ich werde dich dann begleiten. Bitte, warte ein wenig. Ich werde Befehl geben, dass die Gondel uns vor der Tür erwartet.“ Er warf Ottavio einen Blick zu, der diesem nahe legte, sich schleunigst zu verabschieden, legte das Buch auf ein Tischchen und hielt dann seiner Mutter die Tür zu seinem Arbeitszimmer auf. Aus dem Augenwinkel sah er, wie Laura nach dem Buch griff, ihm flüchtig zulächelte und dann die Treppe hinuntereilte, um den Palazzo durch die Hintertür zu verlassen.
Widerspenstiges Ding. Wohin hatte sie gewollt? Zur Bibliothek. Nun gut, diesen Weg kannte er ebenfalls.
* * *
Laura kuschelte sich in den warmen Stoff ihres dunklen Umhangs. Es war kalt und feucht, die Luft war schwer von den Gerüchen der Kanäle, der Fischabfälle und der vielen Menschen um sie herum, aber sie
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