Laura - Venezianisches Maskenspiel
eigenen Frau zu treffen, als Fremder ihre Lust und ihre Hingabe zu erwecken und zu genießen, aber es gab ihm auch zu denken. Konnte es sein, dass er sich in seine eigene Frau verliebt hatte? War es etwa so, dass ihm diese lächerlichen romantischen Vorstellungen, die ihn an Laura so gestört hatten, jetzt selber zu schaffen machten? Ähnliche Dinge sollten schon vorgekommen sein, und wenn er es auch immer für ein Märchen gehalten hatte, dass aus einer aus Vernunft geschlossenen Ehe eine heiße Liebesbeziehung entspringen würde, so konnte er die Tatsache nicht ganz von der Hand weisen, dass seine Gefühle für Laura – wenn schon nicht Liebe – so doch einer sehr leidenschaftlichen Zuneigung gleichkamen.
Jetzt saß er dicht neben ihr in der Gondel, hatte den warmen Pelz behutsam über ihre Beine gelegt und spürte wieder den bekannten Druck zwischen seinen Beinen bei der Erinnerung an die Gondelfahrt, die sich dem Theaterbesuch angeschlossen hatte. Wie reizvoll müsste es jetzt sein, die Vorhänge zu verschließen, dann hinüberzugreifen und ... Er zuckte zusammen, als sie ihn anlächelte und die Hand auf seine legte. Die Berührung fuhr wie ein Blitz in alle seine Körperteile.
„So düstere Gedanken, Domenico?“
Ihr Lächeln war zuviel. Diese Lippen, von denen er wusste, wie unendlich weich und zärtlich sie sein konnten, diese Grübchen in den Wangen. Er zog kurzentschlossen die Vorhänge vor die Schiebefenster und beugte sich hinüber. Ihre Lippen kamen immer näher, aber das Lächeln darauf hatte sich verändert. Es war ernster geworden, erwartungsvoller, und als er in ihre Augen blickte, sah er auch hier diese Erwartung und eine Sinnlichkeit, die ihm den Atem nahm. Eine unsinnige Hoffnung stieg in ihm hoch, die er nicht einmal zu Ende denken wollte. Was hatte sie gesagt über die verschlungenen Pfade der Liebe, die sie wieder zurückgeführt hätten? Zurück zu ihm etwa? Sprach denn nicht ihr verändertes Benehmen dafür, dass sie ahnte, mit wem sie sich heimlich traf? Oder wollte sie ihren Ehemann nur damit in Sicherheit wiegen, wie die anderen Frauen dies taten? Aber nein, es war unvorstellbar für ihn, dass seine Laura tatsächlich eine solche Lügnerin sein konnte.
In diesem Moment hielt die Gondel an. Enrico trat an die Tür der felse. „Wir sind angekommen, sior patrone. Und vor uns ist der Diener von Donna Marina und winkt uns. Er sagt, Donna Marina möchte mit Euch sprechen.“
Domenico erstarrte in der Bewegung. Nur noch eine knappe Handbreit trennte ihn von diesen feuchten Lippen. Eine Handbreit und seine Schwester. Er wandte sich mit einem stillen Fluch ab und zog den Vorhang zurück. „Sag ihr, dass ich komme.“
Er ergriff Lauras Hand, zog sie hoch und schob Enrico fort, der ihr beim Aussteigen helfen wollte. Wenn er sie schon nicht küssen konnte, dann wollte er sie wenigstens berühren. Er ließ ihre Hand auch nicht los, als er die Steinstufen hinüberging, dort wo der Gondoliere seiner Schwester die Gondel eng ans Ufer hielt.
Marina hatte das Fenster zurückgeschoben, lächelte Laura zärtlich zu und wandte sich dann an ihn. „Ich habe nicht viel Zeit, Domenico. Ich wollte dir nur schnell Bescheid sagen, dass ich Sofia soeben bei euch abgesetzt habe.“
„Wie bitte!?“ Der Schock fuhr Domenico in alle Glieder.
„Sofia. Sofia Bandello. Du kennst sie doch!“ Marinas Lächeln wurde unter dem Blick ihres Bruders etwas fahrig.
„Sie kann nicht hier bleiben.“ Seine Stimme klang gereizt. Im ersten Moment war er versucht gewesen, das als schlechten Scherz abzutun, aber jetzt wurde ihm klar, dass Marina den Verstand verloren haben musste. Sofia hatte er in den vergangenen Tagen völlig vergessen. Was fiel ihr nur ein, hierher zu kommen und auch noch hier wohnen zu wollen! Hatte sie sein Schreiben nicht erhalten, in dem er sie dringend gebeten hatte, in Paris zu bleiben? Seine Geliebte und seine Frau, die er verführen wollte, unter einem Dach! War Sofia wirklich so bar jeden Anstands? Nicht, dass ihm ein gewisser Mangel an Anstand in den Wochen, in denen sie seine Geliebte gewesen war, nicht gefallen hätte, aber hier – in Venedig – war er daheim. Und hier war Laura.
„Es ist ja nur für einige Tage. Sie ist gestern angekommen, das kleine süße Ding, ohne vorher Bescheid zu sagen. Aber ich kann sie im Moment unmöglich bei mir aufnehmen – jetzt, zur Karnevalszeit! Wir haben fast ständig Gäste. Bei uns ist es unruhig, und außerdem ist dieses Treiben nicht der
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