Laura - Venezianisches Maskenspiel
Und jetzt ... was sollte sie nur davon halten? Diese Begrüßung ging weit über alles hinaus, was zwischen Leuten, die nicht einmal miteinander verwandt waren, üblich und akzeptabel war.
Domenico legte seine Hand unter ihren Ellbogen. Es war eine beschützende, liebevolle Geste. „Laura, du kannst dich doch an Sofia erinnern, du hast sie bei unserer Hochzeit kennengelernt.“
Nur zu gut. Laura schluckte die heftige Abneigung hinunter und lächelte kühl.
„Ja, gewiss. Sofia war sogar so nett, mir die Sehenswürdigkeiten von Venedig zu zeigen.“ „Vor allem die weiblichen“, dachte sie bitter.
Sofias Blick glitt abschätzend über Laura, dann verstärkte sich das reizende Lächeln und sie reichte ihr beide Hände. „Laura, meine Liebe, fast hätte ich dich nicht wiedererkannt! Was für ein reizendes Kleid! So etwas ähnliches habe ich in Paris gesehen! Das war vor fast einem Jahr dort die große Mode! Ach, Paris! Wie schön war es dort!“
Laura lächelte höflich, aber in Gedanken kratzte sie dieser bösartigen Schlange quer über das Gesicht.
„Weshalb bist du dann nicht in Paris geblieben?“ Domenicos Stimme klang kühl.
„Weil ich Sehnsucht nach euch hatte!“ Zu Lauras Ärger hakte sie sich bei ihr unter und zog sie weg von Domenico.
„Domenico meint das nicht so, er tut nur immer so brummig. Hat er dir nicht erzählt, dass wir uns in Paris getroffen haben? Ach, meine liebe Laura, wie sehr freue ich mich, dich wiederzusehen!“
Domenico blieb stehen, ballte die Hände zu Fäusten und überlegte, ob fünf rasche Ave-Maria hintereinander einen Mann wirklich vor einem Wutausbruch retten konnten, so wie Pater Antonio – sein alter Lehrer – ihm das immer glaubhaft versichert hatte. Diese Frau war genau das, was er im Moment am wenigsten brauchen konnte. Ausgerechnet jetzt, wo er sich überlegte, ob er Laura nicht endlich alles sagen und einen Neubeginn mit ihr machen sollte.
Er war gerade beim zweiten Ave-Maria angekommen, als sich leicht eine Hand auf seinen Arm legte. Seine Mutter stand vor ihm. „Es tut mir leid, Domenico. Ich sehe, dass es dir nicht recht ist, wenn sie hier wohnt. Aber Marina war so viel daran gelegen, sie aus dem Haus zu haben.“
„Das kann ich mir vorstellen“, erwiderte Domenico trocken. Es war ihm noch weniger als ‚nicht recht’, dass Sofia ausgerechnet hier wohnte. Er schluckte eine scharfe Antwort hinunter, als er den Blick aus einer Mischung aus Verlegenheit und Reue bemerkte, mit dem seine Mutter ihn ansah. Wenn sie wüsste, wen sie hier unter ihrem Dach hatte, wäre sie sofort in Ohnmacht gefallen. Vor allem, da sie nie den geringsten Zweifel darüber ließ, wie sehr sie Laura mochte und schätzte. „Zu Recht“, dachte er, wobei er sich mit mehr als einem Anflug von schlechtem Gewissen daran erinnerte, wie oft gerade seine Mutter ihn in ihren Briefen gemahnt hatte, seiner Frau die nötige Aufmerksamkeit und den ihr zustehenden Respekt zu zollen.
„Sie bleibt ja nur wenige Wochen, bis zum Ende des Karnevals.“ Seine Mutter tätschelte ihm die Wange, etwas, das er keiner anderen Frau jemals gestattet hätte. Und auch sie tat es zögernd, als fürchtete sie, er würde sich ihr entziehen. In Domenico stieg etwas völlig Unerwartetes hoch. Zum ersten Mal seit langer Zeit wurde ihm klar, wie viel sie ihm bedeutete. Er war zwar wie üblich mit Amme, Kindermädchen und Lehrer aufgewachsen und hatte seine schöne Mutter immer nur kurz gesehen. Meist dann, wenn sie sich am Abend von ihm verabschiedete, um auf eine Festlichkeit zu gehen. Nach dem frühen Tod seines Vaters hatte sich das jedoch geändert, sie hatte sich zurückgezogen und war eine stille, ruhige Frau geworden. Erst jetzt, wo ihn ähnliche Gefühle plagten, begriff er, dass sie seinem Vater mehr Zuneigung entgegengebracht haben musste, als er bisher angenommen hatte. Ohne lange nachzudenken streckte er die Arme aus und zog seine erstaunt lächelnde Mutter in seine Umarmung. Sekundenlang grübelte er über seine plötzliche Sentimentalität nach, aber dann beschäftigten sich seine Gedanken, während er liebevoll mit der Hand über den schmalen Rücken seiner Mutter streichelte, wieder mit Laura.
Bis zum Ende des Karnevals war er bestimmt schon von einer Katastrophe in die andere geschlittert und hatte sich die Liebe seiner Frau endgültig verscherzt. Vielleicht war es das beste, mit Laura abzureisen. Allerdings, sie hatte sich so sehr auf die Bälle gefreut, hatte sich, durch ihn ermuntert,
Weitere Kostenlose Bücher