Laura - Venezianisches Maskenspiel
richtige Ort für ein junges Mädchen. Bei euch ist es ruhiger, Mutter veranstaltet keine Feste. Sie wird die richtige Gesellschaft für Laura sein. Ein nettes, munteres Ding!“
„Ich sagte nein!“
„Mutter hat bereits ihr Einverständnis gegeben.“ Marina sprach hastig, um die offensichtliche Schwäche ihrer Argumente zu verbergen und Domenico keine Zeit zu geben, allzu heftig zu widersprechen. Und ehe ihr Bruder, dessen Gesichtsausdruck sich gefährlich verdunkelt hatte, tatsächlich noch etwas antworten konnte, winkte sie auch schon ihrem Gondoliere und warf ihrer Schwägerin eine Kusshand zu. „Leb wohl, Laura! Du kommst doch nächste Woche zum Ball, nicht wahr?!“
Laura sah der rasch davoneilenden Gondel nach und wandte sich dann Domenico zu.
„Sofia ist die Nichte von Marinas Mann“, brummte er. „Du hast sie schon getroffen. Sie hatte uns besucht, als wir geheiratet haben. Ich möchte schwören, dass Marina sie nur deshalb bei uns untergebracht hat, damit sie nicht ihrem Sohn den Kopf verdreht.“
Laura konnte sich nur allzu gut an diese Bekanntschaft erinnern! Noch heute brannte die Demütigung über dieses süffisante Lächeln und die freundlich- ironischen Worte wie Feuer in ihr. Sie dachte an Nicoletta Martinelli, die ihr soeben über den Weg gelaufen war. Und jetzt auch noch diese Sofia. „Ein Unglück kommt eben selten allein“, dachte sie verstimmt. „Die Leute, die das sagen, haben schon Recht.“
„Aber Pasquale ist doch erst fünfzehn!“, erwiderte sie laut.
„Eben.“ Domenico, der sich weigerte, ihre Hand loszulassen, zog sie mit sich die Stufen zum Portal hinauf. Der Diener hatte die Tür bereits geöffnet, und Laura trat vor Domenico in die Eingangshalle. Ein Mädchen nahm ihnen den warmen Umhang ab und sie schritten gemeinsam die breite Treppe empor, die in den portego mündete, jenen zentralen Raum des Palazzos, von dem aus man Zugang zu den Salons und intimeren Räumlichkeiten hatte. Einen Raum, den Laura sonst mochte, weil an den Wänden die Gemälde sämtlicher Vorfahren Domenicos hingen und sie Stunden damit verbringen konnte, von einem Bild zum anderen zu gehen und nach Ähnlichkeiten zu suchen. Dieses Mal näherte sie sich jedoch diesem Raum mit dem Gefühl, dass Unheil drohte. Sie hatten auch kaum den Fuß auf die letzte Treppenstufe gesetzt, als schon eine hell klingende Stimme an ihr Ohr drang.
„Hat da nicht soeben Domenicos Gondel angelegt?“ Ein Rascheln von Kleidern, ein Trippeln und dann erschien vor Lauras Augen ein Geschöpf aus Seide, Rüschen, Spitzen, weiß gepudertem Haar und großen, unschuldig blickenden himmelblauen Augen. Als dieses zauberhafte Wesen jedoch mit einem Aufschrei Domenico an die Brust flog und die roten Lippen auf seine presste, wurden Lauras Augen schmal.
Domenico machte sich ungeduldig frei und wischte sich unwillkürlich über den Mund. „Sofia, ich bitte dich!“ Ihm war in den letzten Minuten aus verschiedenen Gründen heiß geworden. Zum einen aus Angst, Laura könnte entdecken, was zwischen ihnen beiden war, und zum anderen war Sofia ja alles andere als reizlos. Die Erinnerung an all die heißen Liebesnächte, die sie miteinander geteilt hatten, stieg unweigerlich in ihm hoch. Sofia war eine Nymphe, ein kindlich-sinnliches Geschöpf, das seine gespielte Unschuld dazu verwendete, Männern den Kopf zu verdrehen. Er hatte diese Beziehung damals nicht von selbst begonnen – auch wenn sie ihn gereizt hatte – und er wusste, dass dieses „unschuldige junge Mädchen“ schon so manchem Mann vor ihm mit ihrem Körper und ihrer Liebe beglückt hatte. Sie hatte ihn in Paris aufgesucht, und als er sie eines schönen Abends in seinem Bett vorgefunden hatte, hatte er nicht die Kraft gehabt, sie wegzuschicken. Aber nun kam sie mehr als ungelegen.
Laura entging nicht, dass Domenicos Stirn sich bei dieser liebevollen Begrüßung gerötet hatte, und sie hätte schwören mögen, dass es nicht vor Ärger war. Ihrer Abneigung gegen Sofia gesellte sich nun auch noch Eifersucht hinzu. Deren blaue Augen hingen anbetend an Domenico und sie machte einen niedlichen Schmollmund, den Laura ihr am liebsten mit ihrem Muff aus dem Gesicht geschlagen hätte. Sie war erstaunt über sich selbst. Sie war sonst ein umgänglicher Mensch, der versuchte, jeden zu mögen – aber dieses Ding hier hatte sie vom ersten Moment an gehasst. Nämlich von jenem Moment an, als sie ihr mit diesem spöttischen Lächeln Nicoletta, Domenicos Mätresse, gezeigt hatte.
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