Laura - Venezianisches Maskenspiel
Erinnerung. Habt keine Sorge, ich werde mir nicht das Leben nehmen. Aber wenn ihr diesen Brief lest, so habe ich schon längst das Land verlassen und bin auf dem Weg in ein neues Leben, weit über dem großen Ozean, nach Amerika, wo mich niemand kennt. Lebt wohl und denkt nicht allzu schlecht von mir. Eure unglückliche Laura.“
Domenico starrte auf den Brief, die zittrige Schrift verschwamm vor seinen Augen. Das Land verlassen? Was sollte das heißen? Und wo wollte sie hin? Über den Ozean? Jetzt, im Winter, wo nicht einmal Schiffe ausfuhren? Welch ein Unsinn!
Und trotzdem. Er musste sofort zum Hafen und verhindern, dass sie sich selbst in Schwierigkeiten brachte. Vielleicht hatte sie den törichten Einfall, sich irgendwo in einer anderen Stadt zu verstecken und darauf zu warten, dass der Frühling kam und die regelmäßige Handelsschifffahrt wieder aufgenommen wurde. Er durfte jedenfalls keine Möglichkeit und Dummheit, zu der eine gekränkte Ehefrau imstande war, außer Acht lassen.
Er nickte seiner weinenden Mutter zu. „Ich muss jetzt weg, um Laura zu suchen. Falls sie wider Erwarten doch zurückkommen sollte, halte sie bitte fest.“ Er drehte sich nochmals um, bevor er in die Gondel sprang. „Notfalls auch mit Gewalt!“
Ein glückliches Ende
L aura saß in der mit warmen Wasser gefüllten Wanne, ließ ihre Finger durch das Wasser gleiten und genoss nach den aufregenden Tagen die wohlige Entspannung. Sie hatte es sich zur Gewohnheit gemacht zu baden, im warmen Wasser zu liegen, obwohl alle im Haus den Kopf darüber geschüttelt hatten. Und auch jetzt gönnte sie sich dieses außergewöhnliche Vergnügen. Sie war vor zwei Tagen auf Domenicos Landgut angekommen und hatte die Ruhe hier sehr bekömmlich gefunden. Langsam konnte sie die Leute verstehen, die das Land dem Treiben in der Stadt vorzogen und nicht nur während der Sommermonate, in denen sich die Patrizier, die sich diesen Luxus leisten konnten, von der Stadt auf ihre Landsitze zurückzogen. Es wäre durchaus ansprechend, wenn sie in Zukunft einige Wochen – vornehmlich zur Karnevalszeit – in Venedig verbrachten, aber für den Rest des Jahres war es hier wohl schöner. Vor allem, weil sie Domenico hier sicherlich für sich alleine hatte.
Sie hatte zuerst nicht zustimmen wollen und Marina widersprochen, als diese ihr den Plan eröffnet hatte, aber dann hatte sie eingesehen, dass Marina wohl Recht hatte. Nach allem, was geschehen war, konnte eine kurze Trennung ihrer Liebe nur hilfreich sein. Beide konnten dann die Gelegenheit nutzen, über ihre Zuneigung und die vergangenen Tage nachzudenken. Sie hatten damit Zeit, zur Ruhe zu kommen, um dann gemeinsam einen Neubeginn zu machen. Sie hatte Domenico einen Brief geschrieben, ihm darin mitgeteilt, dass sie hier auf das Landgut reisen wolle, um nachzudenken, und dass sie überglücklich wäre, wenn er ihr, sobald er selbst dazu bereit wäre, nachkäme. Ihre Schwägerin hatte sich erboten, einen ihrer Diener mit dem Brief zu Domenicos Palazzo zu schicken. Wenn sie Recht behielt – worum Laura betete – dann würden höchstens einige Tage vergehen, bis Domenico hier ankam und sie liebevoll in die Arme schloss.
Sie streckte sich und läutete die kleine Glocke, die neben ihr auf einem Hocker stand, um Anna anzuzeigen, dass sie noch mehr warmes Wasser wollte. Anna kam nicht. Sie läutete nochmals. Draußen war Unruhe, dann war alles still. Sie lauschte hinaus, konnte jedoch nichts weiter hören. Sie läutete wieder, dieses Mal schon sehr ungeduldig.
Endlich ging die Tür auf.
Laura lag mit geschlossenen Augen in der Wanne. „Noch heißes Wasser, Anna. Es wird schon kühl. Was hat dich denn aufgehalten?“
„So einiges.“ Es war nicht Annas helle Stimme, die antwortete, sondern eine männliche, ein wenig heisere und grollende.
Laura fuhr so rasch hoch, dass das Wasser über den Rand der Wanne schwappte. Vor ihr stand Domenico. Er sah erschöpft aus, als hätte er die letzten Tage nicht geschlafen, war unrasiert und seine Augen waren dunkler als sonst. Er hatte seinen schwarzen Dreispitz in der Hand und noch immer den Reisemantel umgeworfen, als hätte er sich nicht einmal die Zeit genommen, die Sachen abzulegen.
Er war gekommen! So wie Marina dies vorausgesagt hatte! Und noch viel eher, als sie gehofft hatte! Sie machte nicht einmal den Versuch, ihr glückliches Lächeln zu verbergen. Dieses Mal störte sie es nicht im Geringsten, nackt vor ihm zu sein. Im Gegenteil, es fühlte sich gut an,
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