Lauras Bildnis
Gentildonna rahmen. Dazu schloß ich mich in meiner Werkstatt ein.
Alles war bereit. Der Firnis war trocken. Ebenso die letzten Pinselstriche Goldbronze, mit denen ich dem Holz die richtige Patina verliehen hatte.
Ich schob die Leinwand in den Rahmen, fixierte sie. Dann richtete ich einen kleinen Strahler auf das Bild und setzte mich in den Sessel. Es war unglaublich, wie das Bild zu leben begann. Die Rahmung wirkte Wunder. Nun sah man tief in die Landschaft hinein, die hinter dem Fenster nach Süden lag. Auch Laura war weitaus plastischer und lebendiger geworden. Sie schien sich zu bewegen, zu atmen, der Mund wirklich zu lächeln mit kaum merklich zitternden Lippen. Es war, als teilten sich die Wirbel und Kurven des Zirbelkieferholzes der Bildfläche mit und lösten ihre Statik auf.
Lange, lange saß ich da und starrte sie an. Ihre Augen sahen an mir vorbei und erfaßten mich dennoch prüfend. Ich glaubte, in ihrem Lächeln einen Hauch von Ironie, von Mitleid fast zu bemerken. Dann sah ich, daß die kosmetische Operation, mit der ich die Halswunde beseitigt hatte, nicht vollkommen gelungen war. Im leichten Streiflicht des Spots ließ sich der Halbkreis ahnen, der einst eine Narbe gewesen war.
Nun tat ich etwas für einen Restaurator Unerhörtes. Ich holte die Röntgenaufnahmen herbei, auf der die ehemalige Perlenkette aufgrund ihres hohen Bleiweißanteils gut zu erkennen war, und rekonstruierte sie auf dem Bild. Ich arbeitete schnell und mit großer Sicherheit. Mir gelang eine perfekte Fälschung, die vom getilgten Original nicht zu unterscheiden war. Und dennoch war es eine Fälschung. Es waren sozusagen unechte Perlen höchster Qualität. Und ich hatte gegen das Gesetz moderner Restauratorenmoral verstoßen: niemals Bildteile ergänzen, die zuvor vollkommen getilgt worden waren.
Ich ging in dieser Nacht nicht mehr nach Hause, sondern blieb in meinem Sessel und schlief dort irgendwann gegen Morgen ein.
Ich erwachte, als es bereits hell war. Die Sonne schien schräg in meine staubigen Fenster. Mich hatte ein Geräusch geweckt. Es war Laura, die gegen die Scheiben klopfte.
Mit einer Handbewegung bedeutete ich ihr zu warten. Dann ging ich hinaus, um sie zu holen. Zuvor hatte ich ein Stück Stoff über die Gentildonna gebreitet.
‘Möchtest du einen Kaffee’, fragte ich, als sie in meinem Werkstattsessel saß. Sie nickte. Sie sah frisch und gut aus wie selten. ‘Ich habe wunderbar geschlafen und lange’, sagte sie.
Ich überhörte den kleinen Vorwurf und brachte den Kaffee. Dann stellte ich mich neben die Staffelei. ‘Laura’, sagte ich. ‘Auf diesen Moment habe ich gewartet. Ich möchte dich mit einer Freundin bekannt machen.’
Als ob ein Torero die Capa zur Seite reißt, zog ich das Tuch mit einer schnellen Bewegung von der Staffelei.
Laura starrte die Gentildonna an. Die Gentildonna starrte Laura an.
Ich war mir nie sicher gewesen, wie Laura auf das Bild reagieren würde. Doch was nun geschah, hatte ich nicht erwartet. Laura erhob sich und stand mit verschränkten Armen da. Ihr Gesicht war eine Maske. Eine Weile sagte sie nichts. Dann schüttelte sie den Kopf. ‘Ich glaube dir nicht, daß dies noch das Original ist. Du hast nachgeholfen.’ Ihre Stimme war kühl. ‘Mein Gesicht geht die Leute nichts an. Ich billige nicht, was du getan hast. Es sind meine Augen. Es ist mein Mund. Warum hast du das gemacht? Du mußt es wieder ändern.’
Ich stritt ab, daß ich bei der Retusche nachgeholfen hätte. ‘Die Ähnlichkeit besteht wirklich’, sagte ich. ‘Vielleicht ist es passend, daß du doppelt bist. Du hast ja schließlich auch zwei Männer.’ Ich versuchte zu lächeln. Laura aber begann zu weinen. Dann drehte sie sich brüsk um und ging.
Ich setzte mich in den Sessel und sah die Gentildonna an. ‘Es ist gut so’, flüsterte ich. ‘Es geht so nicht mehr weiter. Ich muß Schluß machen mit ihr. Vielleicht hilfst du mir dabei.’ Dann begann ich Laura zu suchen. Ich fand sie erst spät am Abend in einem Lokal. Sie war betrunken und weinte.
Sie ließ sich von mir nach Hause bringen. In meine Wohnung. Sie schlief sofort ein. Als ich im Morgengrauen erwachte, beugte sie sich über mich. ‘Verzeih mir’, flüsterte sie. ‘Ich komme mir wirklich gespalten vor. Du weißt, daß ich bald noch einmal nach Hause muß. Ich darf es mir nicht zu leicht machen. Ich habe Phil nie eine echte Chance gegeben. Eigentlich wollte ich erst später fahren, aber ich glaube, es ist besser, ich fahre schon Ende
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