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Lauras Bildnis

Titel: Lauras Bildnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Boetius
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des Monats.’
    Ich setzte mich im Bett auf und zündete eine Zigarette an. ‘Ich darf es mir nicht zu leicht machen’, wiederholte sie, wobei sie mir mit kreisenden Bewegungen den Rücken streichelte. ‘Ich liebe Phil, aber dich liebe ich mehr. Liebst du eigentlich dein Bild mehr als mich?’ Ich schüttelte den Kopf und klopfte die Asche in eine leere Bierflasche. Dann drehte ich mich um und sah Laura an, als sei sie eines jener Fabelwesen, die die Phantasien früherer Epochen mit ihrem Kindersinn für das Groteske ersonnen hatten. Ein Bein mit einem Kopf dran. Ein Rüsseltier mit Flügeln. Ein Bauch mit einem roten Mund. Laura war schön, doch in diesem Augenblick kam mir ihr nackter Leib wie eine monströse Erfindung vor.
    ‘Ich glaube nicht, daß man Gefühle wie unsere teilen kann’, sagte ich mit belegter Stimme. ‘In einer der beiden Richtungen macht man sich etwas vor. Manchmal vielleicht sogar in beide. Glaubst du nicht, daß du einen Teil deiner Liebe für mich einfach mitnimmst und deinem Mann zugute kommen läßt?’
    Nun schüttelte sie den Kopf, was mir gefiel, da es ihre Locken bewegte. ‘Er ist so anders als du. Man kann euch nicht vergleichen! Mit dir macht alles so viel mehr Spaß. Warum eigentlich? Kannst du mir eine Zigarette drehen?’
    Ich gab es auf, über das Thema, das mich quälte, weiterzureden. Laura war stärker als ich. Sie war fähig, aus einer Bewegung des Ausweichens eine Liebkosung zu machen.
    ‘Sei nicht so ungeduldig’, sagte sie. ‘Bald sind wir für immer zusammen. Wahrscheinlich wirst du das bald bereuen. Ich bin nicht sehr nett.’
    In der letzten verbleibenden Woche schlief Laura jede Nacht bei mir. Wollte sie Vorsorge treffen? Ich lag meist wach und mit klopfendem Herzen neben ihr, die selig schlief, und versuchte, in Gedanken ihren Körper zu modellieren, der bald auf und davon sein würde. Dies war meine Weise, Vorsorge zu treffen.
    Und ich tat noch etwas anderes. Als das Licht hell genug war, bat ich sie, im Bett zu bleiben und für einen Rückenakt Modell zu liegen. Ich holte Staffelei, Leinwand und Farbe. Ich arbeitete schnell und wie besessen. Es war das Beste, was mir seit langem gelungen war. Ich zerstörte diesmal nicht die Erotik ihres Körpers, was so leicht durch kleinste Ungenauigkeiten passiert. Sogar Laura war zufrieden. ‘Das darfst aber nur du angucken’, sagte sie, während sie sich anzog. ‘So hat mich noch keiner gesehen.’
    Dann war Laura fort. Ich lag im Bett und umschlang den Schlafsack, unter dem sie die Nächte der letzten Woche gelegen hatte.
    Wir hatten verabredet, daß sie mich diesmal häufiger anrufen würde. Sie hielt sich daran. Das Telefon schrillte fast jede Nacht.
    Ich lebte in leeren Wartekorridoren auf diesen Moment zu. Die Gespräche waren kurz. Laura teilte mit, daß es ihr ernst mit mir sei. Ihr Mann gebe sich alle Mühe, es sei nicht leicht für sie, sich zu entscheiden.
    Das Wort ‘Mühe’ bekam in diesem Zusammenhang für mich etwas von einer schrecklichen Penetranz, ja Dummheit. Wie ging diese Frau eigentlich mit uns um? Zweifellos war sie egoistisch und berechnend. Und zweifellos wurden beide Männer von diesen Eigenschaften nicht abgestoßen, sondern betört.
    Es war eine schlimme Zeit. Ich kam mir leer vor wie eine Hülse. Das war auch während unserer ersten Trennung so gewesen, aber da hatte in die Hülse noch etwas hineingepaßt, meine Trauer zum Beispiel. Diesmal paßte nichts mehr hinein, weil sie zu groß und zu klein zugleich war.
    Ich rief in die Sprechmuschel hinein, ob Phil denn nichts merken würde. ‘Das wundert mich auch’, sagte die Hörmuschel. Also gab es keinen Grund für ihren Mann, etwas zu merken. Ich preßte den Hörer, als wollte ich ihn erwürgen. ‘Konntet ihr nicht reden?’ brüllte ich. ‘Es hat überhaupt keinen Zweck. Ich zeichne und lese viel und denke an dich.’
    Die Stimme des Operators mischte sich ein. Dann klickte es, und die Stürme des Ozeans begannen in der Hörmuschel zu rauschen.
    Ich habe wenig Erinnerungen an die folgenden Wochen, in denen ich allein war und meiner Tätigkeit nachging. Ich muß sie in einem Zustand verbracht haben, in dem mich weder ein Geschehen noch ein Gedanke innerlich berühren konnten.
    Mitte April wurde der Anbau fertig, ein scheußlicher, weißer Kasten aus Marmor. Postmoderner Prunk mit der Ausstrahlung einer Gefriertruhe.
    Der Direktor verglich den Neubau in seiner Eröffnungsrede mit einem Schiff, das mit einer Ladung voller Phantasie und

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