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Lausbubengeschichten. Aus meiner Jugendzeit

Lausbubengeschichten. Aus meiner Jugendzeit

Titel: Lausbubengeschichten. Aus meiner Jugendzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Thoma
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Schlüssel zugesperrt. Es war schon elf Uhr, und ich habe furchtbar Hunger gehabt, und ich habe auch gedacht, was es für eine Schande ist, daß ich in einer Volksschule eingesperrt bin.
    Da habe ich geschaut, ob ich nicht durchbrennen kann und vielleicht beim Fenster hinunterspringen. Aber es war im ersten Stock und zu hoch, und es waren Steine unten. Da schaute ich auf der andern Seite, wo der Garten war. Wenn man auf die Erde springt, tut es vielleicht nicht weh. Ich machte das Fenster auf und dachte, ob ich es probiere. Da habe ich auf einmal gesehen, daß an der Mauer die Latten für das Spalierobst sind, und ich habe gedacht, daß sie mich schon tragen.
    Ich bin langsam hinausgestiegen und habe die Füße ganz vorsichtig auf die Latten gestellt. Sie haben mich gut getragen, und wie ich gesehen habe, daß es nicht gefährlich ist, da ist mir eingefallen, daß ich die Pfirsiche mitnehmen kann. Ich habe alle Taschen voll gesteckt und den Hut auch.
    Dann bin ich erst heim und legte die Pfirsiche in meinen Kasten.
    Am Nachmittag ist ein Brief vom Herrn Lehrer gekommen, daß ich die Schule nicht mehr betreten darf.
    Da war ich froh.
     

Die Verlobung
     
    Unser Klassenprofessor Bindinger hatte es auf meine Schwester Marie abgesehen.
    Ich merkte es bald, aber daheim taten alle so geheimnisvoll, daß ich nichts erfahre.
    Sonst hat Marie immer mit mir geschimpft, und wenn meine Mutter sagte: »Ach Gott, ja!«, mußte sie immer noch was dazu tun und sagte, ich bin ein nichtsnutziger Lausbube.
    Auf einmal wurde sie ganz sanft.
    Wenn ich in die Klasse ging, lief sie mir oft bis an die Treppe nach und sagte: »Magst du keinen Apfel mitnehmen, Ludwig?« Und dann gab sie Obacht, daß ich einen weißen Kragen anhatte und band mir die Krawatte, wenn ich es nicht recht gemacht hatte.
    Einmal kaufte sie mir eine neue, und sonst hat sie sich nie darum gekümmert.
    Das kam mir gleich verdächtig vor, aber ich wußte nicht, warum sie es tat.
    Wenn ich heimkam, fragte sie mich oft: »Hat dich der Herr Professor aufgerufen? Ist der Herr Professor freundlich zu dir?«
    »Was geht denn dich das an?« sagte ich, »tu nicht gar so gescheit! Auf dich pfeife ich.«
    Ich meinte zuerst, das ist eine neue Mode von ihr, weil die Mädel alle Augenblicke was anderes haben, daß sie recht gescheit aussehen. Hinterher habe ich mich erst ausgekannt.
    Der Bindinger konnte mich nie leiden, und ich ihn auch nicht. Er war so dreckig.
    Zum Frühstück hat er immer weiche Eier gegessen; das sah man, weil sein Bart voll Dotter war.
    Er spuckte einen an, wenn er redete, und seine Augen waren so grün, wie von einer Katze.
    Alle Professoren sind dumm, aber er war noch dümmer.
    Die Haare ließ er sich auch nicht schneiden und hatte viele Schuppen.
    Wenn er von den alten Deutschen redete, strich er seinen Bart und machte sich eine Baßstimme.
    Ich glaube aber nicht, daß sie einen solchen Bauch hatten und so abgelatschte Stiefel wie er.
    Die andern schimpfte er, aber mich sperrte er ein, und er sagte immer: »Du wirst nie ein nützliches Glied der Gesellschaft, elender Bursche!«
    Dann war ein Ball in der Liedertafel, wo meine Mutter auch hinging wegen der Marie.
    Sie kriegte ein Rosakleid dazu und heulte furchtbar, weil die Näherin so spät fertig wurde.
    Ich war froh, wie sie draußen waren mit dem Getue. Am andern Tage beim Essen redeten sie vom Balle, und Marie sagte zu mir: »Du, Ludwig, Herr Professor Bindinger war auch da. Nein, das ist ein reizender Mensch!«
    Das ärgerte mich, und ich fragte sie, ob er recht gespuckt hat, und ob er ihr Rosakleid nicht voll Eierflecken gemacht hat. Sie wurde ganz rot, und auf einmal sprang sie in die Höhe und lief hinaus, und man hörte durch die Türe, wie sie weinte.
    Ich mußte glauben, daß sie verrückt ist, aber meine Mutter sagte sehr böse:
    »Du sollst nicht so unanständig reden von deinen Lehrern; das kann Mariechen nicht ertragen.«
    »Ich möchte schon wissen, was es sie angeht; das ist doch dumm, daß sie deswegen weint.«
    »Mariechen ist ein gutes Kind,« sagte meine Mutter, »und sie sieht, was ich leiden muß, wenn du nichts lernst und unanständig bist gegen deinen Professor.«
    »Er hat aber doch den ganzen Bart voll lauter Eierdotter,« sagte ich.
    »Er ist ein sehr braver und gescheiter Mann, der noch eine große Laufbahn hat. Und er war sehr nett zu Mariechen. Und er hat ihr auch gesagt, wie viel Sorgen du ihm machst. Und jetzt bist du ruhig!«
    Ich sagte nichts mehr, aber ich dachte, was

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