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Lausbubengeschichten

Lausbubengeschichten

Titel: Lausbubengeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Thoma
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zu uns gesagt, daß sie wei-
    nen muß, weil wir so feierlich ausgesehen haben, wie lauter
    Engel. Der Fritz hat auch ein ernstes Gesicht gemacht, und
    ich habe ihn beinahe nicht gekannt, wie er langsam neben
    mir hergegangen ist.
    Wir waren auf der einen Seite aufgestellt. Auf der anderen
    Seite waren die Mädel aufgestellt von der höheren Töchter-
    schule. Da war die Anna dabei. Sie hat ein weißes Kleid an-
    gehabt und Locken gebrennt. Ich habe sie in der Sakristei an-
    geredet, vor wir in die Kirche hineinzogen.
    Sie sagte, daß sie heute recht heiß und innig für meine
    Besserung beten will.
    Ich habe mich nicht geärgert, weil ich so friedfertig war,
    und in der Kirche war ich nicht wie sonst. Ich habe gar nicht
    gemerkt, daß es lang gedauert hat, und ich habe nicht ge-
    dacht, was ich nachher tue. Ich habe gemeint, es ist jetzt alles
    anders.
    Viele Eltern, die da waren, haben ihre Kinder geküßt, wie
    alles vorbei war, und ich bin zur Tante Fanny und zum On-
    kel Pepi hingegangen.
    Da stand die Tante Frieda bei ihnen und sagte zu mir:
    „Du hast die dickste Kerze gehabt. Keiner hat eine so dicke
    Kerze gehabt wie du. Sie hat gewiß um zwei Mark mehr ge-
    kostet als die, welche ich meinem Ännchen gab. Aber deine
    Mutter will immer oben hinaus.“
    Und die Tante Fanny sagte: „Natürlich, wenn man einen
    höheren Beamten geheiratet hat.“
    Da habe ich gesehen, daß sie einen nicht fromm sein las-
    sen, und ich habe mit dem Fritz was ausgemacht.
    Er wohnt auch in der weiten Gasse und kann der Tante
    Frieda in die Wohnung sehen. Da steht ein Schrank mit ei-
    nem Spiegel; und der Fritz hat ein Luftpistole.
    Aber jetzt hat der Spiegel auf einmal ein Loch gehabt.
    Das Baby
    In der Ostervakanz sind der Bindinger und die Marie gekom-
    men, weil er jetzt Professor in Regensburg war und nicht
    mehr hier bei uns.
    Sie haben ihr kleines Kind mitgebracht. Das ist jetzt zwei
    Jahre alt und heißt auch Marie.
    Meine Schwester heißt es aber Mimi, und meine Mutter
    sagt immer Mimili.
    Wie es der Bindinger heißt, weiß ich nicht genau. Er sagt
    oft Mädele, aber meistens, wenn er damit redet, spitzt er sein
    Maul und sagt: Duzi, duzi! Du, du!
    Es hat einen sehr großen Kopf, und die Nase ist so aufge-
    bogen wie beim Bindinger. Den ganzen Tag hat es den Finger
    im Mund und schaut einen so dumm an.
    Wie sie gekommen sind, ist meine Mutter auf die Bahn,
    und dann sind sie mit einer Droschke hergefahren.
    Meine Mutter und die Marie haben das kleine Mädel an
    der Hand geführt. Der Bindinger ist hinterdrein gegangen.
    Über die Stiege hinauf haben sie schon lebhaft mitein-
    ander gesprochen, und meine Mutter sagte immer: „Also da
    seid ihr jetzt, Kinder! Nein, wie das Mimili gewachsen ist!
    Das hätte ich nicht für möglich gehalten.“
    „Ja, gelt Mama, du findest auch? Alle Leute sagen es. Dok-
    tor Steininger, unser Arzt, weißt du, findet es ganz merk-
    würdig. Nicht wahr, Heini?“
    Dann hörte ich dem Bindinger seine tiefe Stimme, wie er
    sagte: „Ja, es gedeiht sichtlich, Gott sei Dank!“ Endlich sind
    sie oben gewesen, und ich bin unter der Tür gestanden.
    Meine Schwester gab mir einen Kuß, und der Bindinger
    schüttelte mir die Hand und sagte: „Ach, da ist ja unser Stu-
    diosus! Der Caesar wird dir wohl einige Schwierigkeiten ma-
    chen? Gal ia est omnis divisa in partes tres , haha!“
    Ich glaubte, daß er mich schon examinieren wollte, aber
    meine Mutter rief: „Ja, Ludwig, du hast ja Mimili noch gar
    nicht begrüßt und siehst doch dein kleines Nichtchen zum
    erstenmal! Sieh nur her! Wie lieb und hübsch sie ist!“
    Ich fand es gar nicht hübsch; es war wie alle kleinen Kin-
    der. Aber ich tat so, als wenn es mir gefällt, und lachte recht
    freundlich. Das freute meine gute Mutter und sie sagte zu
    Marie: „Siehst du? Ich wußte es gleich, daß ihm Mimili ge-
    fallen wird. Sie ist auch zu reizend!“
    Im Wohnzimmer war ein Frühstück hergerichtet; unsere
    Kathi mußte Bratwürste holen, und es gab Märzenbier dazu.
    Ich freute mich, aber die andern hatten keine Zeit zum
    Essen, weil sie immer um das Kind herum waren.
    Es mußte seine Hände herzeigen, und wie ihm die Kapuze
    abgenommen wurde, sah man, daß es blonde Locken hatte,
    und da schrien sie wieder, als ob es was Besonderes wäre.
    Meine Mutter küßte es auf den Kopf, und Marie sagte in
    einem fort: „Mimi, das ist deine Omama!“ Und der Bindinger
    bückte sich, daß er ganz rot wurde und sagte: „Du, du! Duzi,
    duzi!“
    Da heulte

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