Lauschangriff - Im Visier der Feinde
Sein Auftrag lautete: Ibrahim Sharif, Yousaf Mohammed, Ben al-Turabi und Abu Hassan Akbar zu eliminieren. Noch immer hatte er nicht die geringste Ahnung, ob sich die Gesuchten wirklich im Haus oder in der Nähe der Mountainside Farm aufhielten. Er wusste noch nicht einmal, ob Faisal al-Assad hier war oder Faisal die vier Männer überhaupt kannte.
Weitere Nachforschungen würden nötig sein. Aber nicht jetzt. Es war viel zu gefährlich, sich unbewaffnet am helllichten Tag noch länger auf dem Anwesen herumzutreiben, nachdem er eine der Wachen ausgeknockt hatte. Wahrscheinlich gab es noch weitere Schwerbewaffnete, davon war auszugehen. Sein Auftrag lautete, still und leise und in größter Verschwiegenheit zu arbeiten.
Der Pick-up bog an der Straße links in Richtung Torrington ab. Mack sah noch einmal zum Anwesen zurück, dann trat er aus dem Wald und sah dem Pick-up nach. Er wusste nicht, was es mit dem Wagen auf sich hatte. Aus Gewohnheit hob er das Fernglas, schrieb sich das Kennzeichen auf und notierte dazu: Dodge Ram, Kennzeichen aus Massachusetts, alt, schwarz, verdreckt.
Dann ging er auf der einsamen Straße zu seinem Nissan zurück und freute sich auf eine Tasse Tee am offenen Kamin im Blackberry River Hotel, während sich die Dunkelheit über die kalten Berge senkte.
Um 16.30 Uhr war Ali noch immer nicht im Farmhaus aufgetaucht. Mikes Jungs hatten von Torrington aus angerufen und erzählt, sie hätten ihn, als sie losgefahren waren, nicht an der Zufahrt gesehen. Um 17 Uhr, als die anderen wieder eintrafen, stellte Ibrahim eine Suchmannschaft zusammen.
Er schickte drei seiner Leute in den Wald an der Zufahrt, wo sie Ali sehr schnell fanden, da er sich mittlerweile die Seele aus dem Leib brüllte. Seit gut eineinhalb Stunden hatte er, 50 Meter vom Weg entfernt, am alten Zaun gelegen, und sein Oberschenkel war zur Größe eines Kürbis angeschwollen. Er war halb erfroren, litt unter schrecklichen Schmerzen, konnte sich nicht mehr bewegen; die ganze Sache war ihm zudem fürchterlich peinlich.
Sie fuhren den Pick-up so nah wie möglich heran und legten ihn vorsichtig auf die Ladefläche. Dann brachten sie ihn ins Haus und hörten sich von ihm an, was geschehen war. Seine Informationen waren recht spärlich. Er war sich noch nicht einmal sicher, ob er den Angreifer wiedererkennen würde.
Ibrahim beriet sich kurz mit Yousaf, Ben und Abu, wobei sie zu dem Schluss kamen, dass sie Ali unmöglich in ein amerikanisches Krankenhaus einliefern konnten. Er würde nach seinemNamen und seiner Adresse gefragt werden. Und sollte er darauf keine befriedigende Antwort geben können, würde die Polizei eingeschaltet. Er konnte also nicht von hier weg. Aber genauso wenig konnte er in seinem Zustand – er fieberte, schrie und konnte sich allein nicht bewegen – hierbleiben. Um 17.40 Uhr trat Abu Hassan in das Wohnzimmer des Farmhauses und schoss Ali zwei Kugeln in den Hinterkopf.
»Allah sei mit dir«, intonierte Ibrahim, und vier der Leute schafften den Leichnam nach draußen und warfen ihn in einen Schuppen. Das wenig ruhmreiche Ende eines tapferen, aber dummen jungen Mannes.
Etwa zur gleichen Zeit schenkte sich Mack Bedford seine zweite Tasse Tee ein. Er hatte die Schuhe gewechselt, den Parka abgelegt, lehnte sich in einem Sessel am Kamin zurück, blätterte in einer Zeitschrift und ließ dabei den Blick über Urlaubsanzeigen schweifen, bis ihm eine ins Auge fiel, die lebhafte Erinnerungen weckte.
Die Anzeige warb für einen Aufenthalt im Heiligen Land – Mack hatte dort als Ausbilder für die israelischen Streitkräfte gearbeitet – und listete die einzelnen Stationen der Reiseroute auf: See Genezareth, das Tote Meer, Jerusalem, von dort ging es in den Süden nach Bethlehem und Hebron und dann nach Be’er Scheva, der historischen Stadt in der Negev-Wüste. Die Stadt, in der Abu Hassan 2004 bei einer Bar-Mitzwa ein Massaker verübt hatte.
Mack und einige seiner Kameraden hatten Hebron im Westjordanland mit seinem arabisch dominierten Stadtzentrum geliebt. Er erinnerte sich an die Bauern, die mit ihren Kamelen und ihren in großen Körben verstauten Waren auf den Markt kamen, an die Schaf- und Ziegenhirten und an die Kasbah.
Araber hatten ihm und seinen Männern die große islamische Schule mit ihren fast 2000 Schülern gezeigt. Er konnte sich gut an die Herzlichkeit und Großzügigkeit der Einheimischen erinnern und ihre Freude darüber, wenn einer der SEALs auch nur radebrechend ein paar arabische Brocken über
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