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Lauter Irre

Lauter Irre

Titel: Lauter Irre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Sharp
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meinen Sie denn damit?«
    »Na schön, nennen wir’s eben Liebe machen.«
    »Aber dafür hätte er doch da sein müssen. Nicht, dass wir das getan hätten.«
    »Ach, schon gut. Was ich zu ermitteln versuche, ist, warum Ihr Mann versucht hat, Ihren Sohn zu erstechen. Das ist alles. Er muss doch einen Grund gehabt haben.«
    »Er hat gesagt, es wäre, weil Esmond ganz genauso ist wie er.«
    »Ich hätte eigentlich gedacht, daran könnte er sehen, dass Sie keine Affäre mit einem anderen haben«, meinte der Chief Inspector.
    »Aber ich hab’s Ihnen doch gesagt, so eine bin ich nicht. Ich war immer vollkommen treu.«
    Das konnte der Chief Inspector problemlos glauben. Sogar ein zwanghaft Sexsüchtiger hätte Mrs. Wiley nicht reizvoll gefunden. Der Ehemann musste ebenfalls abstoßend hässlich sein. In diesem Sinne brach er die Vernehmung ab und ging nachsehen, wie es dem Superintendent ging. Nicht besonders. Die Stiche hatten nicht gehalten, und die Wunde musste noch einmal genäht werden.
    »Es ist verdammt noch mal die Hölle. Wenn das noch lange so weitergeht, drehe ich auch noch durch.«
    »Geht mir genauso. Das ist der schrägste Fall, den ich jemals zu begreifen versucht habe.«

26
     
    Auch Horace genoss seine Reise nicht besonders. Ein Sturm war aufgekommen, als sie England und die Themse hinter sich gelassen hatten und Holland noch in weiter Ferne war. Kurz gesagt, der Gammelfrachter machte seinem Ruf alle Ehre und rollte auf eine Art und Weise in der Nordsee herum, die Horace Wiley wirklich Angst machte. Mal schlugen Wellen über den Bug des Dampfers, dann, wenn der Wind drehte, schwappte das Wasser erst über die Backbord- und dann über die Steuerbordseite, so dass Horace, der sich in seine schmuddelige kleine Kabine zurückgezogen hatte, herumgeschleudert wurde, bis er sich heftig übergeben musste. Natürlich gab es auf dem Dampfer keine Waschbecken in den Kabinen, also taumelte er auf der Suche nach einer Toilette vergeblich umher und erbrach sich schließlich ins Meer, wobei er sich verzweifelt an die rostige Reling des Schiffs klammerte und klatschnass wurde. Unter ihm schien der Gammelfrachter nicht vom Fleck zu kommen, und als er kurz nach achtern schaute, konnte er keine Heckwelle sehen, was darauf hinwies, dass die Maschinen und damit auch die Schraube stillstanden. Hätte er sich mit Schiffen ausgekannt, so wäre ihm der Grund für das Schaukeln und die ständigen Kurswechsel des Schiffes klar gewesen. Und er hätte ganz sicher noch mehr Angst gehabt. Da ihm schlecht war und er sich fast im wahrsten Sinne des Wortes die Eingeweide aus dem Leib kotzte, suchte er nach einem Eimer und nahm ihn mit in seine Kabine. Jetzt wünschte er sich, er hätte sich für den Luftweg entschieden. Wenigstens kam der Tod schnell, wenn das Flugzeug abstürzte. Doch Fliegen war unmöglich drin gewesen. Er hätte seinen Pass vorzeigen müssen, und höchstwahrscheinlich wäre das Geld in seinem Gepäck entdeckt worden.
    Als die Maschine wieder zu arbeiten begann und das Schiff vorandampfte und in relativ ruhiges Fahrwasser geriet, schlief er endlich ein.
    Am nächsten Morgen leerte Horace den Eimer aus und holte die Europakarte hervor, die er in London erstanden hatte. Er musste sich der Tatsache stellen, dass er überhaupt nicht seetauglich war, und die Vorstellung, eine weitere Nacht unter solchen Bedingungen und in einem solchen Zustand zu erdulden, war mehr, als er verkraften konnte. Er würde in Holland von Bord gehen und konnte seine Route trotzdem geheim halten, wenn er seine Reise auf Eisenbahnlinien fortsetzte, die für einen Fernreisenden eher unwahrscheinlich waren. Doch die Karte war nicht genau genug, als dass irgendwelche anderen Bahngleise darauf verzeichnet gewesen wären als die Hauptstrecken zwischen den Großstädten, auf denen Hochgeschwindigkeitszüge verkehrten.
    Horace beschloss, den Schaden zu begrenzen und auf der umständlichsten Route, die er finden konnte, nach Berlin zu fahren. Er ging von Bord, wobei er den größten Teil seines Gepäcks zurückließ, und erreichte sein Ziel erst eine Woche nach seiner Abreise aus London. Gleich bei seiner Ankunft tauschte er bei diversen Banken und Wechselstuben eine große Summe von Pfund in Euros. Am selben Abend fuhr er mit einem Bus in den Ostteil der Stadt, der früher der russische Sektor gewesen war, und verbrachte die Nacht im billigsten Zimmer des billigsten Hotels, das er finden konnte. Er hatte beschlossen, abwechselnd mit dem Bus und mit der

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