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Lauter Irre

Lauter Irre

Titel: Lauter Irre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Sharp
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Eisenbahn zu fahren und Deutschland auf einer Zickzack-Route zu verlassen. Wo er am Ende landen würde, wusste er nicht. Sein einziges Anliegen war, zu verhindern, dass irgendjemand ihm folgen konnte, und er hatte vor, überall, wo er haltmachte, einen anderen Namen anzugeben. Und was am besten war, er kaufte einem betrunkenen Engländer, der nach München gekommen war, um sich ein Fußballspiel anzusehen, einen Pass ab und erstand dann noch einen zweiten von einem bärtigen Mann in Salzburg. Dann verbrachte er zwei fruchtlose Tage damit, seine Bartstoppeln sprießen zu lassen; letzten Endes jedoch brauchte er keinen der beiden Pässe zu benutzen, um erfolgreich die Grenze nach Italien zu überschreiten.

27
     
    In Grope Hall ahnte Esmond nichts davon, was für einen Aufruhr sein und Belinda Ponsons Verschwinden ausgelöst hatte.
    Zum Teil lag das daran, dass er nicht den leisesten Schimmer hatte, wo er sich befand. Zum Teil hatte es damit zu tun, dass er sich noch immer von seinem Alkoholkater und von den Schlaftabletten erholte, die ihm jeden Abend verabreicht wurden. Stark waren sie nicht, doch sie reichten ohne Weiteres aus, um ihn schläfrig zu machen. Joe Grope genannt zu werden machte das Ganze noch schlimmer, und dass er Belinda mit Liebling anreden musste anstatt mit Tante, trug nicht dazu bei, die Situation verständlicher zu machen. Hin und wieder stieg er auf sein Bett, um aus dem Fenster zu schauen, in der Hoffnung, irgendetwas zu erblicken, was er begreifen konnte. Häuser zum Beispiel, doch er sah sich stets nur endlosen Wiesen mit derbem, büscheligem Gras gegenüber und weit in der Ferne etwas, das wie eine graue Steinmauer aussah. Näher am Haus waren Herden von vor sich hin kauenden Schafen zu sehen, und unter dem Fenster hatten Schweine den Boden mit Rüsseln und Klauen in eine große Schlammsuhle verwandelt. Und was noch beängstigender war, anscheinend liefen auf dem Gelände zwei schwarze Bullen völlig frei herum.
    Es waren keine vorbeifahrenden Autos zu hören, wie er es aus der Selhurst Road gewohnt war. Nur gelegentliche Windböen ließen die Fensterscheiben erbeben, während er hinausschaute. Ab und zu glaubte er, Stimmengemurmel aus dem Zimmer unter dem seinen zu hören. Wenigstens eine davon schien einem Mann zu gehören, denn sie war tiefer und seltener zu vernehmen als jene, die er für die der Frauen hielt, obgleich er sich nicht sicher war. Die Decke zwischen diesem und dem unteren Geschoss war zu dick und mit Moos gedämmt, als dass er viel hätte erlauschen können, hin und wieder jedoch konnte er definitiv Gelächter hören, wenn auch kurzes Gelächter, ehe die Diskussion oder vielleicht auch der Streit weiterging.
    Tatsächlich debattierte der Rest der Familie Grope – Myrtle und Belinda – hauptsächlich darüber, wie man den alten Ford entsorgen sollte, in dem Belinda aus Essexford gekommen war. Er stand noch immer in der Scheune, doch für den unwahrscheinlichen Fall, dass jemand ihn sah, wäre er ein sehr guter Hinweis, den man an die Polizei weitergeben könnte. Belinda hatte mit Unterstützung des alten Samuel bereits die Kennzeichen abgenommen, der die Nummern mit einem großen Beil unkenntlich gemacht hatte; das Auto selbst loszuwerden war jedoch sehr viel schwieriger.
    »Wir könnten’s jederzeit in die Mine fahren und es da drin unter Tonnen von Dreck begraben, von der Schachtdecke«, schlug der alte Samuel vor.
    »Und wo kriegen wir Kohle für den Herd her, wenn wir den Haupttunnel blockieren, der zum Kohleflöz führt?«, wollte Myrtle wissen.
    »Ach, da gibt’s haufenweise Nebengänge, in denen keine Kohle mehr drin ist. Alles, was wir tun müssen, ist, in einen von denen reinzufahren und dann die Decke einstürzen zu lassen.«
    »Und wenn nun irgendjemand anfängt, sich da durchzugraben, was dann?«
    »Stacheldraht. Jede Menge Stacheldraht.« Der alte Samuel kam bei dem Gedanken richtig in Fahrt. »Stacheldrahtrollen auf zwanzig Metern.«
    »Aber an den Bullen und an den Hunden kommt doch sowieso keiner vorbei.«
    »Stimmt, aber nur für alle Fälle …«
    »Schön und gut, und wie wollen Sie die Decke zum Einsturz bringen?«, erkundigte sich Belinda.
    »Mit Sprengstoff.«
    »Mit Sprengstoff?«
    »Ach, nicht weiter wichtig. Das wollen Sie bestimmt nicht wissen«, kicherte der alte Samuel. »Aber ich werde die Hilfe von dem Jungen brauchen.«
    Freudig erregt bei dem Gedanken, endlich seinen Sprengstoffvorrat zum Einsatz zu bringen, eilte Samuel aus dem Zimmer

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