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Lauter Irre

Lauter Irre

Titel: Lauter Irre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Sharp
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zu urteilen, besteht kein Zweifel, dass irgendjemand versucht hat, jemand anders damit umzubringen«, meldete er und schwenkte einen Plastikbeutel mit einem Küchenmesser darin.
    »Na, wenigstens hat Mrs. Wiley zum Teil die Wahrheit gesagt«, meinte der Superintendent. Er sah den Arzt an, ehe er fortfuhr: »Allerdings bin ich ganz Ihrer Meinung. Ich frage mich, wo dieser Psychopath abgeblieben ist, Mrs. Wileys Mann.«

32
     
    Horace teilte seine Verunsicherung. Er hatte so viele Grenzen überquert und so viele Landkarten in Sprachen gekauft, die er nicht lesen konnte, dass er keine Ahnung hatte, wo er sich befand.
    Von Deutschland war er nach Polen gefahren, dann über die Berge nach Slowenien und durch die Tschechische Republik und Österreich, ehe er sich in Triest verirrt hatte. Dann war er von Italien nach Frankreich gereist und hatte dabei stets in den bescheidensten Hotels übernachtet und einen falschen Namen angegeben. Da er sich von Hauptstraßen tunlichst fernhalten wollte, hatte er sich mehrmals schmale Landstraßen ausgesucht, an denen es dann keine Hotels gab, was häufig bedeutete, dass er im Freien schlafen musste. Oftmals konnte er sogar überhaupt kein Auge zutun, weil er anscheinend von großen Tieren umringt war, oder zumindest bildete er sich ein, dass es so sein könnte, was genauso schlimm war.
    Endlich – mittlerweile sah er aus wie ein Landstreicher (er wünschte sich inständig, er hätte mehr Kleider mitgenommen und einen Rasierapparat, dessen Stecker in die Steckdosen auf dem Festland passte) – erreichte er Frankreich. Da gab er die Versuche sich zu rasieren auf und ließ sich einen Bart wachsen.
    So ziemlich der einzige Lichtblick bei alldem war, dass jeder, der versuchte, ihm zu folgen, vor einer unmöglichen Aufgabe stehen würde. Allerdings war das kein großer Trost, als er, nachdem er tagelang durch eine Gegend marschiert war, die seiner Meinung nach wahrscheinlich in Italien lag, plötzlich vor einem unglaublich breiten Fluss stand. Da er nicht schwimmen konnte und auf gar keinen Fall kehrtmachen und denselben Weg zurückgehen würde, musste er kilometerweit laufen, um eine Brücke zu finden. Seine Erleichterung, als er eine erspähte, war nur von kurzer Dauer, als ihm klar wurde, dass diese Brücke anscheinend von einem Polizisten bewacht wurde.
    Horace war nicht gewillt, eine Konfrontation mit der Polizei zu riskieren, also hieß es, am Ufer ausharren, bis der Polizist abgelenkt war, dessen Pflichten hauptsächlich darin zu bestehen schienen, zu schnell fahrende Autos anzuhalten und einen Stau auf der schmalen Brücke zu verhindern. Er wartete eine gute Stunde, bis ein besonders schlimmer Engpass, an dem zwei große Lastwagen beteiligt waren, ihm eine Gelegenheit bot, dann schlenderte er an ihnen vorbei über die Brücke.
    Wohlbehalten auf der anderen Seite und noch immer in Frankreich, zog er weiter. Eines Morgens wartete er müde und mit trüben Augen auf einen Bus und hielt schließlich einen mit spanischem Nummernschild an und stieg ein. Als er saß, fing Horace eine Unterhaltung mit dem Mann neben ihm an und stellte zu seiner Erleichterung fest, dass dieser recht gut Englisch sprach.
    »Wo fahren Sie hin?«, erkundigte sich der Mann, nachdem sie ihre Namen genannt hatten.
    »Ich habe keine Ahnung«, gestand Horace. »Aber was ich gern wüsste, ist, was für eine Sprache die Leute um uns herum sprechen. Spanisch kann ich erkennen, aber das hier ist anders.«
    »Wir sind in Catalunya, und die Menschen hier sprechen Katalanisch. Das ist eine Mischung aus Französisch und Spanisch, und oft verwenden die Leute auch Kastilisch oder madrilenisches Spanisch. Natürlich hat jede Gegend ihren eigenen Akzent, und das macht es noch schwerer, etwas zu verstehen. Unter Franco durfte niemand Katalanisch sprechen, aber natürlich haben die Leute es unter sich doch getan. Ein echter Spanier versteht kein Wort davon.«
    Inzwischen war Horace gründlich durcheinander, und anstatt ein derart verwirrendes Gespräch fortzusetzen, verbrachte er den Rest der Fahrt damit, so zu tun, als schliefe er.
    Doch sein Reisegefährte hatte recht. Sie befanden sich in Catalunya, und selbst Horace konnte nicht umhin, die unverwechselbare Architektur Barcelonas zur Kenntnis zu nehmen. Als sie dort ankamen, hatte er einen Entschluss gefasst. Nach allem, was er von der Landschaft gesehen und was er, ehe er vorgegeben hatte zu schlafen, von dem Mann auf dem Nachbarsitz darüber gehört hatte, wie friedfertig die

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