Lauter reizende Menschen
ziemlich elend. Aber der Alte aß und aß, und er versicherte uns ein über das andere Mal, >hangi< schmecke in jedem Falle gut! Nachher allerdings wurde ihm ganz schrecklich übel!«
»Es war aber doch seine eigene Schuld! Wer schlingt schon halbrohes Schweinefleisch so ungehemmt hinunter?«
»Dieser Meinung war er keineswegs! Er erklärte, der >hangi< sei gut gewesen, nur hätte ich irgend etwas Schlechtes in den Ofen getan und damit alles verdorben, ihn sogar beinahe ums Leben gebracht. Wochenlang war er mir böse, und für mein Motorrad bekam ich keinen Cent!« Er verzog das Gesicht. »Deshalb ist es vielleicht doch besser, daß ich Mrs. Middleton keinen >hangi< zubereite.«
Lucia konnte ihm nur zustimmen. Nachdenklich meinte sie: »Seltsam, daß man die beiden Lebenskreise so schlecht miteinander vereinbaren kann: Elektrizität und >hangi< passen einfach nicht zusammen! Nun, dann werden sich die Gäste heute abend eben auf die Bräuche der >Pakehas< beschränken müssen.«
Golden strahlte die Sonne in den stillen Abend, als Lucia und Len im Lager eintrafen. Annabel und Jim empfingen sie; die andern Gäste waren noch nicht da. Auf dem Tisch im kleinen Wohnzimmer stand eine Vase mit auserlesenen Tulpen, daneben eine große Torte, umgeben von fünfundzwanzig Kerzen.
»Fünfundzwanzig!« strahlte Jim voller Stolz. »Schaut sie euch an: Sieht sie etwa danach aus?«
»Sie sind mir aber eine Heimtückerin!« schalt Lucia fröhlich, während sie der Freundin etwas befangen einen Geburtstagskuß gab. »Das also wird gefeiert! Herzliche Glückwünsche — für noch viele, viele Jahre!«
»Ein Vierteljahrhundert!« lachte Annabel. »Man wird alt! Wirklich: Ich wollte nicht, daß jemand dahinterkam, denn auf keinen Fall sollten Sie mir etwas schenken! Einer aber fand mein >Geheimnis< heraus — und dort steht das Ergebnis!« Sie deutete auf die Blumen. »Sie sind heute früh gekommen. Und von wem wohl? Raten Sie mal!«
»Hm... Nun, ich tippe auf Nigel: Er ist der einzige, der genügend Phantasie dazu hat.«
»Falsch! Sie sind von unserem Waidmann Philipp Ross. Dabei habe ich nicht die leiseste Ahnung, wie er darauf gekommen ist. Jedenfalls hat er es erschnuppert — und sich um so herrliche Blumen bemüht. Sind sie nicht wundervoll?«
Lucia betrachtete die Tulpen mit gemischten Gefühlen. Zugegeben, die Blumen waren wirklich herrlich! Aber warum blieb dem Kerl eigentlich nichts verborgen? Voller Unbehagen überlegte sie, was er wohl von ihr inzwischen alles wußte...
Wenige Minuten später traf er selbst ein, und auch die beiden Inhaber des Ferienlagers ließen nicht lange auf sich warten. Im Festtagsgewande überschütteten sie Annabel mit herzlichen Glückwünschen. Das Geburtstagskind dankte Ross mit frohem Erröten: Gerade Blumen seien ihr hochwillkommen gewesen, weil es hier im Lager keine gäbe.
»Schade, daß ich das nicht wußte«, rief Len aus. »Wir haben doch Carmen mit ihrem Überfluß von Blumen.«
»Carmen? Ich denke, die geizt mit jeder einzelnen Blüte?«
»Allerdings«, gab Len zu. »Aber sie geht ziemlich früh zu Bett!« Alles lachte, und die gute Stimmung war gesichert.
Es dauerte nicht lange, da war Ross neben Lucia. »Wie sind Sie denn dahintergekommen, daß Mrs. Middleton heute Geburtstag hat?« wollte sie wissen.
Er schaute sie prüfend an. »Sie meinen, ich hätte wieder einmal spioniert, wie? Wright hat mir gesagt, Sie hätten mein fürchterliches Geheimnis entdeckt! Nun stellen Sie sich gewiß vor, ich wäre ums Haus gestrichen und hätte ein Gespräch zwischen Jim und seiner Frau belauscht. Aber leider muß ich Sie enttäuschen: Es war ganz anders.«
»Gar nichts habe ich mir vorgestellt!« widersprach Lucia ärgerlich. »Warum trauen Sie allen Leuten immer gleich Häßliches zu? Ich finde Menschen, die andern stets niedrige Beweggründe andichten, einfach ekelhaft!«
Er lächelte. »Und ich finde, daß manche Menschen viel zu empfindlich sind! Ja doch, schon gut — pusten Sie sich nur nicht gleich wieder auf! Das mit den Blumen war übrigens gar nicht schwierig, nicht einmal für einen ekelhaften Detektiv: Als ich neulich mal oben bei Jim war, bestellte er gerade telefonisch eine Geburtstagstorte... mit fünfundzwanzig Kerzen! Deshalb schied James als Empfänger aus, und auch >Raubritter< kam kaum in Frage. Ja, und dann wurde ich für heute abend eingeladen... Elementar, mein lieber Watson! würde Sherlock Holmes sagen.«
»Es war sehr umsichtig von Ihnen!« murmelte
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