Lauter reizende Menschen
und ich gebe zu, daß dieser Ross und der hübsche junge Inhaber des Lagerplatzes sich sehen lassen können, Der andere mürrische Klotz aber und der Ire... Übrigens: Wer ist das eigentlich?«
»Michael Kelly, der Vormann des Brückenbau-Lagers oben auf dem Plateau.«
»Kelly... Kelly... Wo habe ich den Namen nur schon gehört? Hm, ja, den Mann muß ich schon irgendwo gesehen haben. Gewiß sieht er ganz gut aus... aber doch nicht übermäßig... verstehst du, was ich meine?«
»Auf alle Fälle ist er ein netter Kerl, und er hat ein ganz reizendes Frauchen. Und die andern — sie sind alle gute Bekannte von uns.«
»Ja, genau darauf wollte ich hinaus: Weißt du, liebes Kind, zuweilen habe ich ein wenig Angst, die Heirat mit Jim — mag er ein noch so lieber, ordentlicher Bursche sein — habe dich bereits aus der Bahn geworfen. Ihr schafft euch so merkwürdige Bekannte an... und Jim scheint auf Mörder wie ein Magnet zu wirken. Habe ich nicht zu meiner grenzenlosen Erschütterung lesen müssen, daß ihr wieder einmal mittendrin steckt? Ach, ich fürchte, das gehört dazu, wenn man sich mit Pferden einläßt!«
Annabel lachte und streichelte der Mutter beruhigend den Rücken. »Mach dir nur keine Sorgen, Mutter: Keiner von all den Leuten da drüben hat etwas mit Mördern oder auch nur mit Pferden zu tun! Gewiß war es ein großes Pech, daß wir an einen Ort geraten mußten, wo eine solche Untat geschah; aber niemand aus unserm Bekanntenkreis hat das geringste damit zu tun. Die Männer sind nette Kerls, Lucia ist ein seltenes Prachtstück — eine Freundin, wie ich sie nie gehofft hätte, hier zu finden.«
»Eine Schönheit ist sie jedenfalls nicht gerade! Und wer ich bin, scheint sie auch nicht erfaßt zu haben. Kein Wort hat sie zu meinen Büchern gesagt!«
»Das darfst du von ihr auch nicht erwarten: Dafür flößt ihr eine Dichterin viel zuviel Hochachtung ein. Sie ist Bibliothekarin.«
»Bibliothekarin? Dann kennt sie natürlich meine Bücher und mag tatsächlich überwältigt sein! Ich muß mal mit ihr reden, damit sie merkt, daß wir Dichter auch Menschen wie alle anderen sind!«
Das war aber nicht der Eindruck, den Lucia nach der ersten längeren Unterhaltung mit Augusta Wharton gewonnen hatte. Zehn Minuten lauschte sie mit Engelsgeduld den Seelenergüssen der Schriftstellerin, dann aber schaute sie sich verzweifelt nach Hilfe um. Es überraschte sie schon gar nicht mehr, daß es Philipp Ross war, der sofort zur Stelle war. Ehrerbietig trat er näher.
»Noch ein Glas Sherry, Mrs. Wharton? Sicherlich sind Sie noch benommen von der langen Fahrt.« Bald darauf war er mit den Drinks zurück. Unbefangen nahm er neben Augusta Platz und fragte ernsthaft: »Sind Sie gerade damit beschäftigt, ein neues Buch zu schreiben? Dürfen wir hoffen, daß uns bald ein neuer Roman von Augusta Wharton beschert wird?«
»Sie dürfen!« verkündete die große Dichterin gnädig. Wie zufällig trafen sich Philipps und Lucias Blicke — und was das Mädchen in den Augen des Mannes las, veranlaßte es, hastig aufzustehen und sich zurückzuziehen. Dieser Philipp Ross war wirklich unverwüstlich! Wie er mit dieser Tragödin umsprang... Lucia mochte nicht Zeuge sein, wie er sich mit Annabels Mutter seinen Spaß erlaubte.
Aber Ross war nicht der Mann, der sich länger als nötig opferte.
Nachdem er fünf Minuten geduldig zugeschaut hatte, winkte er Nigel heran, der gerade erreichbar war. »Hören Sie nur, Nigel, was Mrs. Wharton über den Realismus zu sagen hat! Sie werden ihre Argumente höchst anregend finden!«
Alles andere als dankbar blitzte Nigel den Fallensteller an. Er war gerade dabei gewesen, mit Lucia Pläne für die Erweiterung des Ferienlagers zu erörtern, und die Unterhaltung mit dem vernünftigen, originellen Mädchen hatte ihm aufrichtig Freude bereitet. Es sah Ross ähnlich, sich rücksichtslos einzumischen und ihn zu zwingen, das Geschwätz von Annabel Middletons völlig unmöglicher Mutter anzuhören.
Was aber blieb Nigel übrig? Als höflicher Mann folgte er dem Ruf und nahm neben Augusta Platz.
»Das war gemein von Ihnen!« schalt Lucia, als Ross wenig später lächelnd neben ihr Posten bezog. »Wie konnten Sie uns stören, wo wir gerade die herrlichsten Anlagen für sein Lager besprachen? Was er hier aufgebaut hat, ist wirklich bewundernswert!«
»Das mag sein«, gab Philipp säuerlich zu. »Ich wußte gar nicht, daß Sie an dem Unternehmen beteiligt sind!«
Nur einen empörten Blick warf Lucia ihm
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